Kommentar Ausweisung von Ausländern: Einmal Strafe ist genug
Es ist ein Ausdruck deutscher Drohkultur, Ausländer nach der Haftentlassung automatsich abzuschieben. Gegenmaßnahmen wie Einzefallprüfungen reichen nicht aus.
A usländer, die in Deutschland geboren wurden und aufgewachsen sind, kann man eigentlich nicht als Ausländer bezeichnen. Sie sind Teil der hiesigen Bevölkerung, haben nur zufällig keinen deutschen Pass.
Ein biografisches Detail rechtfertigt nicht, dass solche De-facto-Inländer nach schweren Straftaten nicht nur ins Gefängnis müssen, sondern anschließend auch aus ihrem Heimatland verwiesen werden.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat jetzt zwar entschieden, dass es keine rechtliche Pflicht für einen absoluten Ausweisungsschutz gibt. Deutschland verstößt also nicht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention, wenn es hier geborene, straffällig gewordene Ausländer ausweist.
ist rechtspolitischer Korrespondent der taz.
Das ändert aber nichts an der politischen Forderung, alle hier aufgewachsenen Menschen gleich zu behandeln. Eine Sonderstrafrecht für Ausländer, die nach der Haftentlassung in ein für sie fremdes Land verbannt werden, ist Ausdruck der deutschen Drohkultur gegen Ausländer, die deren Integration schon seit Jahren behindert.
Für die größte Zahl der hier lebenden Ausländer - EU-Bürger und Türken - ist der Automatismus zwar abgemildert. Sie werden nach einer dreijährigen Haftstrafe nur dann ausgewiesen, wenn sie auch für die Zukunft als Gefahr für die Bevölkerung eingestuft werden.
Wer geläutert ist, kann bleiben. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber leider keine Erkenntnis der deutschen Politik, sondern ein Folge von EU-Recht.
Für alle anderen hier aufgewachsenen "Ausländer" haben die Gerichte im Interesse der Menschenrechte bisher nur eine Einzelfallprüfung zugebilligt. Auch dieses Durchbrechen des bisherigen starren Automatismus ist erfreulich - aber zu wenig.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israel, Nan Goldin und die Linke
Politische Spiritualität?
Matheleistungen an Grundschulen
Ein Viertel kann nicht richtig rechnen
Innenminister zur Migrationspolitik
Härter, immer härter
Nikotinbeutel Snus
Wie ein Pflaster – aber mit Style
Börsen-Rekordhoch
Der DAX ist nicht alles
Israels Brüche der Waffenruhe
Die USA sind kein neutraler Partner