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Kommentar AußenwirtschaftsgesetzSelbst ernannte Schutzmacht

Kommentar von Nicola Liebert

Was soll das Außenwirtschaftsgesetz? Am ehesten dürfte es als PR-Coup für die Koalition dienen, die sich als Retter nationaler Interessen profilieren möchte.

Die Regierung wird zur Schutzmacht für die deutsche Wirtschaft. Sie will unter Umständen ausländischen Staatsfonds, aber auch anderen Investoren die Übernahme deutscher Firmen untersagen. Schließlich könnten Ausländer ihre deutschen Besitztümer für politische Zwecke nutzen. Welche sinistren Zwecke das sein könnten, bleibt diffus. Um die nationale Verteidigung geht es jedenfalls nicht. Schon seit 2004 kann die Regierung bei Übernahmen von Rüstungsunternehmen eingreifen. Um die Angst, ein Monsterkonzern wie die russische Gazprom könnte sich den deutschen Energiemarkt einverleiben, kann es sich auch nicht handeln. Das ließe sich per Kartellrecht verhindern.

Realistischer dürfte die Sorge sein, dass ausländische Investoren deutsches Know-how ins Heimatland transferieren. Aber hätte die Regierung deshalb wirklich die Übernahme der Windkraftfirma Repower durch den indischen Konkurrenten Suzlon verhindert? Was spricht eigentlich dagegen, mit deutscher Technologie Windanlagen in Indien zu bauen? Und wäre es wirklich vorteilhafter gewesen, wenn sich der ebenfalls interessierte staatliche (!) französische Atomkonzern Areva mit Repower ein grünes Feigenblatt zugelegt hätte?

Und wie steht es mit der demokratischen Schlüsselindustrie, den Medien? Hätte die Regierung einer Heuschrecke wie David Montgomery den Kauf der Berliner Zeitung untersagt? Sicher nicht, nicht nur weil dieser als Europäer nicht vom Gesetz betroffen wäre. Die Politik war heilfroh, dass so die fortschreitende Konzentration der deutschen Medienriesen verhindert wurde. Ebenfalls heilfroh wäre der Staat übrigens wohl auch, wenn sich Singapurs finanzkräftiger Staatsfonds herabließe, nach der US-Bank Citigroup auch die schwer angeschlagene deutsche IKB zu retten.

Aber was soll das Außenwirtschaftsgesetz dann? Am ehesten dürfte es als PR-Coup für die Koalition dienen, die sich als Retter nationaler Wirtschaftsinteressen profilieren möchte. Zu dumm nur, dass sich ausgerechnet die Wirtschaft aus Angst vor ausländischen Vergeltungsmaßnahmen vehement gegen das Gesetz wehrt. NICOLA LIEBERT

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2 Kommentare

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  • M
    Michael

    Wir erleben zum einen eine Renessaince des Protektionismus auf der ganzen Welt - und zum anderen dass sich Diktatur und Prosperität nicht mehr ausschließen wie wir lange dachten. Mehr noch, Länder wie China prosperieren vor allem weil es Regime sind in denen Arbeitnehmerrechte oder Umweltschutz der Willkür der Despoten ausgeliefert sind. Die spielen schlicht mit unfairen Mitteln, unfair gegenüber der dortigen Bevölkerung natürlich, aber auch im Bezug auf den internationalen Wettbewerb. Sich dagegen zu erwehren hat nichts mit Nationalismus oder einem "deutschen Weg" zu tun der nun mal wieder an die Wand gemalt wird zwischen den Zeilen (wo von "Ausländern" die Rede ist im Kommentar). Es geht nicht um Ausländer sondern um Staatsfonds jener Regimes mit denen unsere sicherlich "anstrengendere" freie Wirtschaftsordnung schlicht nicht mithalten kann, Errungenschaften wie Mutterschutz, Arbeitsschutz und Streikrecht sind rein ökonomisch gesehen große Kostenfaktoren die jene Regime nicht haben. Von fairem Wettbewerb kann man also nicht reden, und wenn Weltwirtschaft heißt dass man sich gegenseitig das Know-How abschöpft anstatt zB moderne Windturbinen selbst zu erforschen - und dabei mit großer Sicherheit durch "Zufall" ganz neue Erkenntnisse und Technologien zu erschließen - dann ist dies auch der Ende jeden Fortschritts und damit reden Sie im übrigen ohne das Sie es merken den Monopolen und einer binären Wirtschaftswelt das Wort. In diesem Zusammenhang wäre es mir viel lieber wenn die Inder eine noch bessere Windturbine als die deutsche Firma erforschten und damit der deutschen Firma auch in Deutschland konkurrenz machen - mit diesem Wettbewerb der Ideen kann man auch umgehen, er ist fair und nachvollziehbar. Und die Umwelt wäre sicherlich auch mehr gedient.

    Mag sein dass dies Thema bei Stammtischen gut ankommt, wo ich mir gar nicht mal so sicher wäre weil Politiker dort sowieso inzwischen unter Generalverdacht stehen nur eine weitere Form von organisierter Kriminalität zu sein, dann muß dies deswegen noch nicht schlecht sein. Oder anders gesagt und der TAZ vielleicht näher: die Ökosteuer war eine gute Idee, weil sie ohnehin notwendige Steuererhöhungen für die Rentenkasse wenigstens mit einem monetären Anreiz zum Spritsparen verknüpft hat was uns nun zu gute kommt wo die Nordamerikaner noch in ihren 14-Liter-Autos stöhnen.

    Und mit diesem Gesetz wird notwendige Beruhigung der Arbeitnehmerschaft, die sich zurecht vor dem harten Globalisierungswind sorgt, kombiniert mit richtiger Industriepolitik.

  • AT
    Andreas Thomsen

    Was halten Sie von dem folgenden Szenario:

     

    Gazprom und Rosneft übernehmen die Mehrheit an mehreren Energiekonzernen, Rohrleitungen, Raffinerien etc.

     

    In der EU verpflichten sich die Mitglieder, im Falle eines Versorgungsboykotts oder einer Naturkatastrophe, sich gegenseitig mit Energie zu versorgen, und wollen diese gegenseitige Garantie auch auf assoziierte Nachbarländer ausdehnen (z.B. Ukraine).

     

    Aufgrund einer Entwicklung, deren Anfänge wir jetzt beobachten können, stoppen Gazprom und Rosneft in einem extrem kalten Winter aus technischen Gründen die Zufuhr in die Ukraine und

    in die baltischen Staaten, und kündigen Polen dasselbe an. Deutschland wird direkt durch die Ostseepipeline versorgt, sieht sich aber zur Hilfeleistung verpflichtet (Schröder ist inzwischen in Rente).

     

    Andererseits werden aber die beteiligten Energieversorger in Deutschland von Russland kontrolliert ...

     

    Da kann ich mir schon erhebliche Interessenkonflikte vorstellen ...

     

    Ntürlich könnte man dann versuchen, nachträglich eine staatliche Kontrolle durchzusetzen - was aber die Spannungen nur verschlimmern würde. Ich glaube, dazu hätten nur die USA und vielleicht noch Grossbritannien den Mut.

     

    Wenn man nachdenkt, findet man wahrscheinlich noch ganz andere Möglichkeiten, wie wirtschaftlicher Druck eingesetzt werden kann, um Interessen durchzusetzen, die nicht im Sinne der Bundesregierung sind.