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Kommentar Ausschreitungen ÄgyptenEine kollektive Schande

Kommentar von Georg Baltissen

Nach den Ausschreitungen in Kairo muss die Mehrheit die Minderheit als gleichberechtigte Bürger akzeptieren. Das ist eine kulturhistorische Aufgabe.

E s ist eine tiefe Schande für die arabisch-muslimische Welt, wie die Christen in der Region behandelt werden. Auf dem Papier sind diese meist gleichberechtigte Staatsbürger, in Wirklichkeit aber gelten sie als "suspekte Elemente". 50 Jahre nach dem Ende des Kolonialismus werden Christen wieder misstrauisch beäugt als späte Zöglinge der Kreuzritter, als willfährige Handlanger westlicher Imperialisten, denen man jede Untat zutraut.

Für Islamisten, Salafisten oder Wahhabiten sind sie Agenten des Westens, deren vornehmstes Ansinnen es ist, den Ruhm des Islams zu beflecken und die Herrschaft des Korans zu brechen. Es reicht das Gerücht, dass eine Konvertitin gegen ihren Willen in einer Kirche festgehalten werde, um ein Gotteshaus in Brand zu setzen und Menschen zu töten.

Diesem Irrsinn aus religiöser Verblendung, abgrundtiefem Aberglauben und kalkuliertem islamistischem Terror fallen seit Jahrzehnten immer wieder Kopten in Ägypten zum Opfer. Das ist nicht allein die isolierte Gewalt einiger Verblendeter, es ist vielmehr das Versäumnis einer ganzen Gemeinschaft, einer ganzen Region und Religion, dass solche Taten geschehen können.

Bild: taz

GEORG BALTISSEN ist Auslandsredakteur der taz.

Die Christen in der arabischen Welt werden seit Jahrzehnten gezwungen, ihre Heimat zu verlassen. Im Irak sind sie nur noch eine minimale Minderheit, in Saudi-Arabien und den Golfstaaten sind sie kaum geduldet, in Palästina und Israel zwingt sie israelischer Besatzungsterror und muslimischer Konformitätsdruck zur Flucht. Nie war der Exodus der arabischen Christen so dramatisch wie heute.

Die christlich-muslimischen Beziehungen waren im Laufe der Geschichte mal konfrontativ, mal kooperativ, Verfolgung und Wertschätzung lösten einander ab. Heute geht es darum, dass die muslimische Mehrheit die arabischen Christen als gleichberechtigte Bürger akzeptiert und aufhört, sie zum Sündenbock zu stempeln. Das ist eine kulturhistorische Aufgabe für die arabische Revolution.

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Auslandsredakteur
61, ist Redakteur im Ausland und gelegentlich Chef vom Dienst. Er arbeitet seit 1995 bei der taz, für die er schon in den 80iger Jahren geschrieben hat. Derzeit ist er zuständig für die Europäische Union und Westeuropa. Vor seiner langjährigen Tätigkeit als Blattmacher und Titelredakteur war Georg Baltissen Korrespondent in Jerusalem. Noch heute arbeitet er deshalb als Reisebegleiter für die taz-Reisen in die Palästinensische Zivilgesellschaft. In den 90iger Jahren berichtete er zudem von den Demonstrationen der Zajedno-Opposition in Belgrad. Er gehörte zur ersten Gruppe von Journalisten, die nach dem Massaker von 1995 Srebrenica besuchte.

14 Kommentare

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  • RD
    Rainer David W. Früh

    @ Daniel Preisler:

    Das klingt ja alles, als seien Sie persönlich dabei gewesen. Haben Sie auch selbst mitgeschossen?

  • DP
    Daniel Preissler

    "Es reicht das Gerücht, dass eine Konvertitin gegen ihren Willen in einer Kirche festgehalten werde, um ein Gotteshaus in Brand zu setzen und Menschen zu töten."

     

    In welcher Reihenfolge ist denn das alles passiert?

    Hat zuerst der vermeintliche Ehemann der Neumuslima auswärtige Schläger bestellt, hat dann der Christ zuerst geschossen und ist dann die (andere) Kirche angezündet worden? Das müsste man alles genauer wissen. Auch die Frage, ob die Spannung zwischen den Religione in Ägypten zur Zeit tatsächlich so hoch ist, das allein dadurch Blut fließt, oder ob alles von Mubarak-Anhängern oder bezahlten Handlangern inszeniert wurde, oder ob eine Mischung aus beidem (wie ich vermute) zu den Ereignissen geführt hat wäre wichtig zu beantworten!

     

    Wie die Mehrheit mit der Minderheit umgeht, ist natürlich eine zentrale Frage - immer und in jedem Land, ob Ägypten, Saudi-Arabien, Israel, Deutschland oder den USA!

  • A
    AndyCGN

    Herr Baltissen, israelischer Besatzungsterror verjagt Christen. Da bitte ich doch um Quellenangaben. Ansonsten sind Sie nur ein ordinärer Antisemit.

  • OB
    Objektivität, bitte!

    Lieber Herr Baltissen, zunächst vielen Dank, dass Sie auf die Verfolgung von Christen in der arabischen Welt aufmerksam machen. Allerdings schließe ich mich den Kommentatoren an und möchte fehlende Objektivität in Ihrem Artikel anmerken. Es wäre nützlich, wenn Sie Ihre Äußerungen belegen würden (z.B. Verweise auf Menschenrechtsberichte von Amnesty oder Human Rights Watch) und, wie ebenfalls angemerkt, auf die Situation der Muslime in der westlichen Welt verweisen. Überall auf der Welt geschieht Unrecht aus (zum Teil vorgeschobenen) religiösen Gründen und es wäre sinnvoll, die Situation der Kopten in einen breiteren Kontext einzubetten. Danke.

  • H
    hschweizer

    Korrigendum: Israel ist das einzige Land im Nahen Osten, wo die Zahl der Christen im Land zunimmt. Überall sonst nimmt sie ab. Insbesondere auch in der Türkei.

  • C
    Christel

    Herr Baltissen: Die israelischen Christen leiden nicht unter Besatzungsterror. Sie sind ja selbst Israelis mit voller Staatsbürgerschaft und gleichen Rechten. Ich kenne viele Christen dort und noch nie hat einer derartiges geäußert. Auch Christen nicht, die wg. Hisbollah-Terror aus dem Süd-Libanon geflohen sind, und jetzt frei und respektiert in Israel leben. Herr Baltissen, Ihre unreflektierte Äußerung bezweckt wahrscheinlich, den Eindruck der Objektivität zu erzielen, indem Sie nicht nur die Islamisten kritisieren, sondern in wohlfeiler Weise auch gleich die "terroristischen" Juden.

  • V
    vic

    Glaubenskriege- so alt wie die Welt.

  • MB
    Mathias Bartelt

    Lieber Herr Baltissen,

     

    in der Kürze der Zeit kann ich leider noch nicht nachprüfen, was in Ägypten passiert sein soll. Falls es so ist, stimme ich Ihnen hinsichtlich der Frage, wie Christ_innen dort behandelt werden sollten, im Grundsatz zu.

     

    Ich hielte Ihre Forderung jedoch erst dann für vollends glaubwürdig, wenn Sie sich mit selber Verve gegen das Angstbild Islam aussprechen würden, das angesichts nicht zuletzt der arabischen Aufstände abermals aufgebaut wird. Als da beispielsweise wäre: "Hoffentlich kommen dort nun nicht die Islamist_innen an die Macht". Wenn "der Westen" den arabischen Ländern - wenn(!) sich dort denn schon ein Mal eigene Bewegungen entwickeln - eine eigenständige Entwicklung ohne Mißtrauen zugestehen würde, wäre die Lage mithin insgesamt bereits entspannter. Aber "der Westen" greift dort bekanntermaßen seit Jahrzehnten (und länger) immer wieder ein. Mit diesem Eingreifen hat er ihnen schon vor Jahrzehnten in vielerlei Hinsicht eine eigenständige Entwicklung verwehrt und erst wesentlich das mit hervor gerufen, was er heute als "Terror" überall an die Wand malt.

     

    Tun Sie uns etwas Gutes, gehen Sie einen Schritt voran und rufen Sie zur gemeinsamen Verständigung auf. Dann glaube ich Ihnen.

     

     

    Beste Grüße

     

    Mathias Bartelt

  • G
    Gorter

    Am Anfang stand die arabische Eroberung, nicht die Kreuzzüge.

  • W
    Wolf

    Der israelische Besatzungsterror gilt auch nicht so sehr im (bröckelnden) demokratischen Rechtsstaat Israel, sondern eben da - in den besetzten Gebieten. Christliche Araber werden da genauso schlecht behandelt wie muslimische.

    Wie die Situation im eigentlichen Israel aussieht, kann ich nicht beurteilen.

  • A
    arabella

    Oh, die taz macht auf verfolgte Christen aufmerksam! Das man sowas noch erleben darf! Aber selbst da noch etwas Israel-Bashing unterzubringen, ist wirklich einzigartig. Hat zwar mit der Realität nichts zu tun, aber was solls.

  • B
    blubb

    danke frank wollte ich auch gerade anmerken, eher fliehen die nach israel

  • U
    Unbequemer

    Danke für die klaren Worte, denen ich im Großen und Ganzen zustimme. Sie werden jedoch ungehört verhallen...

  • F
    Frank

    So ein Quatsch: "In Israel und Palästina zwingt sie israelischer Besatzungsterror zur Flucht...". In Israel wird kein einziger Christ unterdrückt und auch nicht zur Flucht gezwungen.