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Kommentar Ausnahmezustand ÄthiopienKeine Hoffnung auf Entspannung

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

In Äthiopien wurde der Ausnahmezustand verhängt. Merkel kann bei ihrem Besuch also nicht wie eigentlich geplant einfach den Fortschritt loben.

Ein ausgebrannter Wagen in Sebeta. Merkel reist auch nach Äthiopien Foto: reuters

thiopien ist immer ein Vorbild für Afrika gewesen. Es war das einzige Land auf dem Kontinent, das sich Ende des 19. Jahrhunderts dem Versuch der Eroberung durch eine europäische Kolonialmacht militärisch erfolgreich entgegenstellte. Es blickt auf eine mehrtausendjährige stolze Staatsgeschichte zurück. In den letzten Jahrzehnten wies Äthiopien konstant die höchsten Wachstumsraten Afrikas auf und stand wie kein anderes Land für den Aufstieg vom Hungerleider zum „afrikanischen Löwen“.

Die Kehrseite all dessen ist immer die Entrechtung der breiten Bevölkerung gewesen. Früher schien es den Herrschenden in Addis Abeba egal zu sein, wenn Hungersnöte Hunderttausende dahinrafften. Diese Zeiten gehören der Vergangenheit an; bittere Armut bleibt aber weit verbreitet, und die meisten Menschen haben nichts zu sagen, was staatliche Entwicklungsentscheidungen angeht.

Seit dem Tod des langjährigen autoritären und global respektierten Regierungschefs Meles Zenawi vor vier Jahren scheint das verschlossene äthiopische Machtsystem sein politisches Gespür verloren zu haben. Die ständig neu aufflammenden Unruhen bekommt der Staat nicht in den Griff. Jetzt richten sie sich gegen die vielen neuen ausländischen Investitionsprojekte, Symbole der auf maximales Wirtschaftswachstum und minimale Bürgerbeteiligung ausgerichteten Politik. Was im Ausland als Schaffung von Arbeitsplätzen gefeiert wird, sind in Äthiopien selbst oft eher Symbole der Unterdrückung.

Auf die tagelangen Unruhen reagiert die Regierung jetzt, indem sie für sechs Monate den Ausnahmezustand verhängt und die Protestbewegung als „friedensfeindliche Elemente, die sich mit ausländischen Kräften verbündet haben“ bezeichnet. Das lässt nicht auf Entspannung hoffen.

Bundeskanzlerin Merkel kann also, wenn sie am Dienstag Äthiopien besucht, nicht wie eigentlich geplant einfach den Fortschritt loben. Auch die Schattenseiten müssen Thema sein – und zwar nicht, um den Unmut der Menschen im Rahmen der „Fluchtursachenbekämpfung“ im Zaum zu halten und die Abschottung zu verschärfen. Das Fundament entwicklungsorientierter Außenpolitik muss sein, für Bürgerrechte, Partizipation und sozialverträgliches Wachstum einzutreten.

Dass die deutsche Kanzlerin ein Treffen mit äthiopischen Oppositionellen eingeplant hat, ist bereits ein gutes Zeichen – hoffentlich wird das Treffen noch möglich sein und die Teilnehmer hinterher keine Nachteile erfahren.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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4 Kommentare

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  • Nach Eritrea, einem weiteren Unrechtsstaat am Horn von Afrika, hat sich Frau Merkel wohl nicht 'getraut', der Protest hier bei uns wäre wohl zu stark gewesen. Bis jetzt hat 'der Westen' bzw. die Bundesregierung zum Aufstand der Oromo-Volksgruppe wohlweislich geschwiegen. Passt halt nicht ins Reiseprogramm: Ist kontraproduktiv zu ihrer „Fluchtursachenbekämpfung“, wie Herr Dietrich richtig schreibt. Ob Vertreter dieser Volksgruppe bei Frau Merkel vorgelassen werden? Wir werden sehen ...

    • @Thomas Kniep:

      Aus Eritrea kommen aber die Fluechtlinge. Was empfehlen Sie denn fuer eine Politik Deutschlands im Bezug auf Eritrea?