Kommentar Aufhebung des Kopftuchverbots: Moden der Macht
Bei der Aufhebung des Kopftuchverbots in der Türkei geht es nicht nur um Mode, sondern um Macht. Die Frauen sind lediglich ein Spielball der Obrigen.
D ie Entwicklung war absehbar: Wer die türkische Politik beobachtet, musste mit der Aufhebung des Kopftuchverbots rechnen; und wer regelmäßig in die Türkei reist, ohnehin: Denn immer mehr Frauen bedecken ihr Haar, immer mehr Burkaträgerinnen sind zu sehen, die Gesellschaft islamisiert sich - langsam, aber stetig.
Die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan will mit der Gesetzesänderung nach eigenen Angaben Demokratie und Freiheit stärken. Viele Türkinnen fürchten jedoch, dass sie mit dem Fall des Kopftuchverbots unter Druck geraten, ihren ganzen Körper zu verhüllen. Und von säkularer Seite werden die Motive Erdogans in Zweifel gezogen, der sich einst dafür stark gemacht hatte, Ehebruch unter Strafe zu stellen.
Nach dem Putsch von 1980 erließen die Militärs das Kopftuchverbot: Verschleierte Frauen haben seitdem in staatlichen Einrichtungen nichts zu suchen, die Frauen und Töchter religiös Konservativer wurden ausgeschlossen. Aber genau diese sind wieder auf dem Vormarsch: Vor wenigen Wochen gab es eine spektakuläre Verfassungsreform, das Militär hat seitdem weniger Rechte. Die islamisch-bürgerliche Elite löst die Generäle ab und entscheidet über den Kopf der Frauen. Erdogans zwei Töchter mussten wegen ihres Kopftuchs zum Studium ins Ausland, auch seine Frau wird wegen ihres "Turbans" angegriffen. "Ich bin ein leidender Vater", sagte der Ministerpräsident einst und setzt dem nun ein Ende.
ist Redakteurin bei tazzwei.
Von dem Leid der Kopftuchträgerinnen, die nicht in die Universitäten dürfen, handelt der Roman "Schnee" des Nobelpreisträgers Orhan Pamuk. Er stellt die Frage, warum der Streit um die großen Fragen der Politik ausgerechnet von alten Männern auf den Köpfen junger Mädchen ausgetragen wird. "Die konservativen Väter befehlen: Du trägst das Kopftuch! Die Generäle befehlen: Weg mit dem Kopftuch!", schreibt Pamuk. Aber hier geht es nicht nur um Mode, sondern um Macht. Die Frauen sind lediglich ein Spielball der Obrigen.
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