Kommentar Aufbauhilfe für Libyen: Libyer, passt auf!

Die Libyer sollten aufpassen und ihre Berater selbst gut aussuchen. Denn die drohende Invasion der "Selbstgerechten" ist erst in Afghanistan erfolgreich gescheitert.

Kaum scheinen mehr als vier Jahrzehnte Gaddafi-Herrschaft vorbei, schon erhebt sich am Horizont eine neue Gefahr: die Invasion der "Selbstgerechten". Schon vor einigen Tagen berichtete die BBC ganz ironiefrei, dass so bald wie möglich westliche Stabilisierungsberater die neue Regierung unterstützen und dabei - Achtung! - "auf den in Afghanistan gelernten Lektionen aufbauen" werden. Auch Außenminister Westerwelle hat dies bereits angekündigt.

Die Libyer sollten sich diese afghanischen Lektionen genau ansehen. Was dort nach dem Sturz der Taliban auch als Demokratisierungsprozess begann, hat sich inzwischen in ein vom Western gesponsertes oligarchisches System aus alten Warlords und dem als Reformer gestarteten und inzwischen zum Mitmacher mutierten Karsai verwandelt.

Die mithilfe westlicher Berater erzeugten zweistelligen Wachstumsraten haben vor allem diese Oligarchie immer reicher gemacht, ohne dass es der Mehrheit der Afghanen besser geht. Abseits der wenigen, seit 2002 asphaltierten Straßen oder in den Slums am Rande der Städte Kabuls herrscht immer noch große Armut. In einigen Stadtteilen Kabuls dauerte es trotz der Wiederaufbau-Milliarden acht Jahre, bis es wieder ganztägig Strom gab.

THOMAS RUTTIG und KATE CLARK sind AutorInnen der taz.

Afghanistans politisches System besteht dank dieser Unterstützung aus einer schön aussehenden, aber mottenlöchrigen Verfassung und einem überzentralisierten Präsidentenapparat, dessen Küchenkabinett die anderen Gewalten entweder systematisch unterminiert (das Parlament) oder instrumentalisiert (die Judikative). Die Sicht der Afghanen auf westlich geförderte Demokratie ist nicht mehr hoffnungsvoll, sondern nur noch zynisch.

Wir würden den Libyern raten: Sagt höflich "Nein" und sucht euch eure Berater selbst aus.

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