Kommentar Attentat auf Saudi-Botschafter: Dilettantischer Plan ohne Motiv
Es gibt gute Gründe, den Iran als Drahtzieher des Attentats auf die saudische Botschaft anzuzweifeln. Denn warum sollte der Iran derart stümperhaft agieren?
E s gibt gute Gründe, am iranischen Attentatsplan gegen den saudischen Botschafter in Washington zu zweifeln. Sicher, dem Iran und den Al-Kuds-Brigaden ist derartiges zuzutrauen. Bereits in der Vergangenheit haben sie im Ausland gemordet. Aber: Dabei haben sie sich nie so dilettantisch angestellt, wie sie es in diesem Fall getan haben sollen.
Die US-Ermittler begründen die Zusammenarbeit mit mexikanischen Drogenkartellen mit der mangelnden Vernetzung der Al-Kuds-Brigaden in Nordamerika. Warum sollte ausgerechnet der politisch brisanteste Mordplan der jüngeren iranische Terrorgeschichte derartig stümperhaft vorbereitet sein? Das Berliner Mykonos-Attentat 1992 und der – bis heute nicht komplett aufgeklärte – Anschlag auf das jüdische Gemeindehaus in Buenos Aires 1994 waren im Vergleich zu einem Mord mitten in der US-Hauptstadt harmlose Unterfangen – aber ungleich besser geplant.
Hinzu kommt die Frage nach dem Motiv. Richtig, Iran und Saudi-Arabien kämpfen um die politische Vorherrschaft in der Golfregion. Die Rolle der Saudis entspringt dabei vor allem ihrer Allianz mit den USA. Welches Interesse sollte der Iran daran haben, dieses Bündnis zu stärken? Das nämlich wäre das einzig denkbare Ergebnis eines geglückten Anschlags.
ist Redakteur im Auslandsressort der taz.
Bleibt die Frage, ob der Anschlag womöglich tatsächlich so geplant war, wie die US-Ermittlern behaupten – aber eben nicht von höchsten iranischen Stelle, sondern von Teilen der Al-Kuds-Oberen. Das würde in der ohnehin tief zersplitterten iranischen Führung einiges in Bewegung bringen. Vielleicht – könnte man spekulieren – ging es denjenigen, die den Plot von Washington ins Werk gesetzt haben, genau darum?
Aber wer soll das gewesen sein? Wir wissen es nicht. Auch deshalb bleiben Zweifel angebracht.
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