Kommentar Atomausstieg: Kleiner Schritt, große Wirkung
Wow! Wir sind endlich wieder Vorreiter. Wir denken endlich wieder an die kommende Generation. Und es ist ökonomische Weitsicht, sich von Öl, Uran & Co unabhängig zu machen.
D ie Bundesregierung hat gestern keine Revolution beschlossen. Deutschland mit Strom aus Windkraft- und Solarparks zu versorgen und auf Atomenergie zu verzichten, diese Idee ist nicht neu.
Bisher galt für Schwarz-Gelb allerdings: Wir machen das irgendwann mal, erst mal wird die Nutzung der Atomkraft verlängert. Der Weg in ein neues Energiezeitalter schien so weit, dass die Regierung, statt zum Aufbruch zu blasen, lieber längst Erreichtes zurücknahm.
Nun hat sie das Land lediglich auf einen Weg zurückgebracht, den Rot-Grün bereits eingeschlagen hatte. Dieser Weg gleicht einem neuen Generationenvertrag. 2022, das Jahr, in dem endlich der letzte Atommeiler vom Netz sein soll, ist nur eine Etappe. Selbst dann wird noch ein großer Teil unserer Energie aus fossilen Rohstoffen stammen. Die Energiewende ist ein Projekt der nächsten drei, vier Generationen, abgeschlossen irgendwann nach 2050.
INGO ARZT ist Redakteur im Ökologie- und Wirtschaftsressort der taz.
Gemessen an den Aufgaben, die noch zu bewältigen sind, nimmt sich das Paket der Regierung klein aus: Die Vergütung für Offshore-Windparks hochzusetzen, ist keine umwerfende Innovation. Die Planung von Stromtrassen zu erleichtern und Windparks schneller zu genehmigen, ebenfalls nicht. Auch Gebäude schneller zu sanieren und die Fördermittel dafür aufzustocken, machte schon vor Fukushima Sinn, weil Arbeitsplätze entstehen und Energie eingespart wird.
Im Prinzip ist der Kurs der Regierung also nicht neu, er ist nicht ihre Erfindung, aber er ist richtig und konsequent. Überzeugen musste sie vor allem sich selbst und Teile der Industrie, die mit den alten Strukturen gut Geld verdient hat. Nun bekommt vor allem der Energiesektor Konkurrenz durch neue Anbieter, endlich.
Das Land kann sich jetzt einmal durchschütteln und sagen: Wow! Wir sind endlich wieder Vorreiter. Wir denken endlich wieder an die kommende Generation. Eine bessere Hinterlassenschaft als eine ökologische, saubere Wirtschaftsweise kann es nicht geben.
Zwar wird Deutschland kurzfristig mehr Gas und Kohle brauchen, die Energiewende wegen des früheren Aufbruchs aber langfristig wesentlich schneller als andere Länder schaffen. Zum Glück, denn der Preis der Energie aus den endlichen Rohstoffen Kohle, Gas, Öl und Uran wird unentwegt steigen. Es ist ökonomische Weitsicht, sich davon unabhängig zu machen. Langfristig ist die Energiewende die beste Rentenversicherung.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Israelische Drohnen in Gaza
Testlabor des Grauens
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Berliner Sparliste
Erhöht doch die Einnahmen!
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Gewalt an Frauen
Ein Femizid ist ein Femizid und bleibt ein Femizid