Atomkonzerne und FDP gegen Energiewende: Lindner warnt vor Entschädigungen
Atomkonzerne glauben, dass das Energiekonzept der Regierung juristisch nicht wasserdicht ist. Auch die FDP ist nun skeptisch. Christian Lindner schiebt flott der Union die Verantwortung zu.
BERLIN dpa | Die Atomkonzerne wehren sich gegen den in Stufen geplanten Atomausstieg bis 2022. RWE-Chef Jürgen Großmann forderte in einem Schreiben an Kanzlerin Angela Merkel (CDU), der bayerische Meiler Gundremmingen B solle nicht schon 2017, sondern erst 2021 vom Netz gehen.
Vattenfall-Chef Øystein Løseth sagte, man verlange für die "Zwangsstilllegung" seiner Atommeiler Krümmel und Brunsbüttel eine "faire Entschädigung".
RWE-Chef Großmann argumentiert in dem der dpa vorliegenden Schreiben an Merkel, das Essener Unternehmen werde einseitig benachteiligt. Es könne wegen der frühen Abschaltung von Gundremmingen B seine Reststrommengen nicht verbrauchen. Gundremmingen C soll hingegen bis 2021 laufen. Es sei nicht ersichtlich, warum die baugleichen Meiler, die binnen eines Jahres ans Netz gegangen seien, nun völlig unterschiedlich behandelt würden. Daher solle auch Gundremmingen B bis 2021 laufen.
RWE-Chef Großmann: "Den Cash-Flow bringen Kohle und Atom"
"Auf diese Weise wäre sichergestellt, dass auch RWE seine Mengen verstromen kann und nicht darauf angewiesen ist, sie unter Wert zu veräußern oder gar zu verlieren, schließlich brauchen auch wir die finanziellen Mittel, um die Energiewende zu finanzieren", schreibt Großmann. RWE sei einer der größten Investoren in Deutschland bei den erneuerbaren Energien, "aber den Cash flow, um dies zu finanzieren, bringen nach wie vor Kohle und Kernkraft". Die Konzerne kritisieren zudem, dass sie auch weiterhin jährlich insgesamt 1,3 Milliarden Euro Atomsteuer zahlen sollen.
Die Regierung hatte am Montag das elf Gesetze, Eckpunkte und Verordnungen umfassende Atom- und Energiepaket verabschiedet. Acht AKW werden sofort stillgelegt, wobei eine Anlage womöglich als kalte Reserve für Stromengpässe bis 2013 in Bereitschaft gehalten werden soll. Die neun verbleibenden Meiler sollen bis 2022 vom Netz: 2015 Grafenrheinfeld (Bayern), 2017 Gundremmingen B, 2019 Philippsburg II (Baden-Württemberg), 2021 Grohnde (Niedersachsen), Brokdorf (Schleswig-Holstein) und Gundremmingen C und 2022 Isar II (Bayern), Neckarwestheim II (Baden-Württemberg) und Emsland (Niedersachsen).
Röttgen hält Verfahren für juristisch wasserdicht
Bis zum Abschaltdatum nicht verbrauchte Strommengen sollen verfallen. Die Konzerne sehen hier einen Eingriff in Eigentumsrechte, weil im Atomgesetz die entsprechenden Mengen zugestanden wurden. Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hält dieses Vorgehen für juristisch wasserdicht.
FDP-Generalsekretär Christian Lindner warnte vor Entschädigungsforderungen und schob die Verantwortung dafür der Union zu. Entgegen des ursprünglichen Plans, alle neun Meiler bis 2021/2022 laufen zu lassen, war auf Betreiben von Röttgen, Kanzleramt und Ländern die Abschaltung in Stufen durchgesetzt worden.
Das schwarz-gelbe Konzept sei "nicht FDP-Politik pur", sagte Lindner dem Kölner Stadt-Anzeiger. "Wir sind uns nicht sicher, ob es nicht zu Entschädigungszahlungen kommen wird. Wir hätten vielleicht Vorsorge getroffen. Aber seitens der Union wurde gesagt, das sei nicht erforderlich." Diese trage daher nun die Verantwortung.
Angesichts von rund einem Dutzend Gegenstimmen in den Fraktionen von Union und FDP sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann am Dienstag in Berlin: "Angela Merkel muss offensichtlich beim Atomausstieg um die schwarz-gelbe Mehrheit im Parlament bangen". SPD und Grüne können sich vorstellen, dem Konzept zuzustimmen, weil Union und FDP auf den Ausstiegsbeschluss von Rot-Grün zurückgehen.
Vattenfall-Chef Løseth: "Krümmel darf nicht schlechter gestellt werden"
Vattenfall-Chef Løseth sagte der dpa in einem Exklusiv-Interview, das norddeutsche Vattenfall-Kernkraftwerk Krümmel dürfe "mit Blick auf die Reststrommengen zeitlich und mengenmäßig nicht schlechter als andere neuere Kernkraftwerke gestellt werden".
Mit dem Aus für Krümmel und Brunsbüttel drohen Millioneneinbußen, da die Reststrommengen schwer zu verkaufen sein werden. Der Grund: Die anderen Konzerne haben selbst Probleme, ihre Strommengen bis zum jeweiligen Abschaltdatum zu produzieren. Für das Wiederanfahren der beiden seit 2007 fast permanent stillstehenden Kernkraftwerke habe man 700 Millionen Euro investiert, sagte Løseth. "Wir haben natürlich all die Investitionen in unsere Reaktoren in dem Glauben getätigt, dass sie wieder angefahren werden." Daher sei die Lage "dramatisch".
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