Kommentar Atom-Risiken: Fahrlässige Untätigkeit
Die SPD will bei der kommenden Wahl mit ihrer Atompolitik punkten. Leider ignoriert ihr Umweltminister Gabriel aber die Gefahren durch gefährliche Altreaktoren.
Malte Kreutzfeldt ist Leiter des Ressorts Wirtschaft und Umwelt.
Im Wahlkampf will die SPD mit dem Thema Atom so richtig punkten. Schließlich gibt es bei der Frage des Ausstiegs einen klaren Unterschied zur Union, und die Mehrheit der Bevölkerung teilt die Haltung der SPD. Am Ausstieg, so verspricht Umweltminister Sigmar Gabriel bei jeder Gelegenheit, werde in der nächsten Legislaturperiode nicht gerüttelt.
Bei den Möglichkeiten, bereits vor der Wahl etwas gegen gefährliche Altreaktoren zu unternehmen, war Gabriel hingegen deutlich weniger entschlossen. Zwar liegt die unmittelbare Aufsicht über die deutschen AKWs bei den - zumeist wenig atomkritisch regierten - Bundesländern. Der Bund hat ihnen gegenüber aber ein Weisungsrecht und die Möglichkeit, verbindliche Verordnungen zu erlassen.
Selbst bei aktuellen Gefahren wie dem mangelhaften Schutz älterer Reaktoren vor Flugzeugabstürzen und Terrorangriffen hat der Bund aber keine neuen Vorschriften erlassen, die eine Stilllegung ermöglicht hätten.
Auch beim "Kerntechnischen Regelwerk", in dem einheitliche Sicherheitskriterien für Atomkraftwerke festgelegt werden, hat der sonst so streitlustige Gabriel einen Konflikt mit Ländern und Konzernen gescheut. Statt die Regeln einfach in Kraft zu setzen, hat Gabriel zugestimmt, sie zunächst unverbindlich zu erproben.
Diese Untätigkeit ist angesichts der potenziellen Gefahren fahrlässig. Und auch politisch ist es unverständlich, dass der Minister noch immer auf Kooperation setzt. Schließlich haben die Energiekonzerne längst klargemacht, dass sie den - auch von ihnen unterzeichneten - Atomkonsens aufkündigen wollen. Und Union und FDP haben versprochen, diesen Wunsch zu erfüllen. Dass die SPD zur Beendigung der riskanten Atomtechnik dennoch allein auf den vereinbarten Ausstieg vertraut und alle anderen Möglichkeiten ungenutzt lässt, kratzt auch an der Glaubwürdigkeit der lauten Wahlversprechen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Debatte über Verbot von Privat-Feuerwerk
Schluss mit dem Böllerterror
Kleinparteien vor der Bundestagswahl
Volt setzt auf die U30
Debatte nach Silvester
Faeser und Wissing fordern härtere Strafen
Musks AfD-Wahlempfehlung in der „Welt“
Rocky Horror Springer Show
Mögliches Ende des Ukrainekriegs
Frieden könnte machbar sein
Die Zukunft der Ukraine
Neujahr mit Luftalarm