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Kommentar AsylbewerberMenschen wie Menschen behandeln

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Der Skandal ist, dass die Flüchtlingspolitik systematisch darauf ausgerichtet ist, potenzielle Asylbewerber abzuschrecken. Sie sollen spüren, dass sie nicht willkommen sind.

M enschenwürdig ist das nicht. Fast 40 Prozent unter Hartz-IV-Niveau liegt die Summe, die einem Flüchtling in Deutschland an Sozialleistungen zugestanden wird, für Kinder ist es sogar noch weniger.

Hinzu kommt, dass nur ein kleiner Teil davon in bar ausgezahlt wird – viele Bundesländer und Kommunen speisen ihre Flüchtlinge lieber mit Gutscheinen für Essen und Kleidung ab.

Oder sie zwacken, wie in Thüringen geschehen, einen Teil des Geldes für sich ab, um damit ihren Haushalt zu sanieren.

Vor fast zwanzig Jahren wurde die Höhe der staatlichen Unterstützung für Flüchtlinge willkürlich festgesetzt und seitdem, trotz Inflation und Preissteigerung, nie angehoben.

Das Bundesverfassungsgericht prüft nun, ob sie verfassungswidrig ist. Da die Menschenwürde nicht nur für Deutsche gilt, kann es eigentlich zu gar keinem anderen Urteil kommen, denn zum Leben reicht dieses kümmerliche Handgeld kaum aus.

Bild: taz
DANIEL BAX

ist Redakteur für Migraton und Integration im Inlandsressort der taz.

Der deutsche Umgang mit Flüchtlingen ist schäbig – aber er hat System. Er soll sie davon abhalten, sich hier allzu heimisch zu fühlen, und potenzielle Asylbewerber abschrecken.

Das ist nicht nur skandalös, dahinter steckt auch ein Missverständnis. Denn viele der Menschen, die bei uns Asyl suchen, sind zwar vor Not und Gewalt geflohen, doch sie wollen kein Almosen und kein Gnadenbrot.

Es sind ja meist nicht die Ärmsten der Armen, die flüchten – in den Ländern, aus denen sie stammen, in Afghanistan, Syrien oder dem Irak, zählten sie oft zur Mittelschicht.

Meist wollen sie nichts lieber als hier arbeiten, um einen neuen Anfang zu machen. Statt sie jahrelang zu alimentieren, aufs Abstellgleis zu stellen und auszugrenzen, sollte Deutschland ihnen einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung und Arbeit gewähren.

Sonst wird das Potenzial, das diese Menschen mitbringen, wie bisher einfach weiter verschwendet.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er wurde 1970 in Blumenau (Brasilien) geboren und ist seit fast 40 Jahren in Berlin zu Hause, hat Publizistik und Islamwissenschaft studiert und viele Länder des Nahen Ostens bereist. Er schreibt über Politik, Kultur und Gesellschaft in Deutschland und anderswo, mit Fokus auf Migrations- und Religionsthemen sowie auf Medien und Meinungsfreiheit. Er ist Mitglied im Vorstand der Neuen deutschen Medienmacher:innen (NdM) und im Beirat von CLAIM – Allianz gegen Islam- und Muslimfeindlichkeit. Er hat bisher zwei Bücher veröffentlicht: “Angst ums Abendland” (2015) über antimuslimischen Rassismus und “Die Volksverführer“ (2018) über den Trend zum Rechtspopulismus. Für die taz schreibt er derzeit viel über aktuelle Nahost-Debatten und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW).”
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10 Kommentare

 / 
  • BS
    Bernd Schneider

    Diese ganze Migrationsdebatte muß doch mal vom Kopf auf die Füße gestellt werden.

    1. Was als Migrationsdebatte daherkommt ist ausschließlich eine Immigrationsdebatte. Aber gerade die Emigranten und deren Motivation zur Auswanderung findet mit einigen Ausnahmen (z.B. Ärzte nach Skandinavien oder in die Schweiz) medial keine Beachtung. Leider ist die Politik auf diesem Auge blind. Was motiviert einen Menschen, seine Heimat zu verlassen? Wo liegt das Reformpotential in unserer Gesellschaft?

    2. Deutschland ist kein Einwanderungsland, weil es keine Einwanderungskultur gibt. Es findet nur eine mehr oder weniger geregelte Zuwanderung statt.

    Am Anfang der Entwicklung einer solchen Einwanderungskultur muß ein Kriterienkatalog stehen, in dem erfaßt wird, was unsere Gesellschaft braucht. Die USA, Kanada, Australien u.a. können hierbei beispielgebend sein. Gesucht werden gut ausgebildete Arbeitskräfte und Investoren. Wenn man sich dann mal umschaut, wer auswandert, so sind es genau diese Gruppen. Was liegt also näher, als erst einmal die Rahmenbedingungen zu ändern, damit diese sich nicht mehr genötigt sehen, auszuwandern.

    3. Wenn man nun der Meinung ist, das Einwanderung notwendig und nützlich ist, muß eine Personalakquisitionspolitik gestaltet werden, die auch die langfristigen Aspekte und Kosten berücksichtigt. Dies können und wollen Unternehmen nicht leisten. Sie denken vielfach nur bis zum eigenen Tellerrand der kurzfristigen Profitmaximierung. Mit den Fehlentwicklungen der Wirtschaftswunderjahre müssen wir uns heute rumschlagen.

    Je höher die kulturelle Kongruenz zwischen Einwanderer und Einwanderungsland ist, desto geringer sind die Integrationskosten.

    Unabhängig davon bleibt der Vorwurf der Ausbeutung des Humankapitals anderer Länder bestehen.

    4. Niemand wandert ohne Not aus. Was liegt also näher, als die Bedingungen in den Auswanderungsländern zu verbessern. Hierbei muß sich aber gerade Europa einige Vorwürfe gefallen lassen. Gäbe es Flüchtlinge auf den Kanarischen Inseln, wenn nicht vor Westafrika hochmoderne Fischfangflotten die Meere plündern würden? Gäbe es Flüchtlinge auf Lampedusa, die mehrheitlich aus Schwarzafrika stammen, wenn nicht europäische Exportförderung die afrikanischen Agrarmärkte zusammenbrechen liese und z.B. afrikanische Hühnerzüchter in den Ruin treiben würde?

    Diese janusköpfige Klientelpolitik ist einfach ekelerregend!

    Eine faire ökonomische Zusammenarbeit auf Augenhöhe, die den "Entwicklungsländern" eine Chance zum Aufbau ihrer Märkte ließe, ist wünschenswert. Aber das wird wohl noch lange nicht erreicht werden.

  • T
    T.V.

    Kurz und knapp das Wichtigste gesagt.

  • D
    D.J.

    @Strooker,

     

    "Welche Migration ist es also konkret, die Angst macht?"

     

    Das war doch eine rhetorische Frage? Mir und allen nicht ideologische vernebelten Menschen in meinem Umkreis macht Migration von Menschen Angst, die unsere halbwegs aufgeklärte und liberale Gesellschaft ablehnen. Verstehe nicht, warum das vielen so genanten Linken einfach zu hoch ist.

    Und diejenigen, die jetzt wieder "Pankikmache" rufen; Die Anfänge sind da; z.B. Forderungen nach einem Blasphemieverbot. Was ist das Nächste?

  • SD
    Stimme der Demokratie

    Ein Staat definiert sich und seine Interessen im Sinne deiner Bürger. Darüber hinaus gibt es noch allgemein moralische Erwägungen wie Asyl oder Entwicklungshilfe. Aber eine allgemeine Einladung an jeden kann nicht im Interesse der Bürger sein. Das Asylgesetz sieht explizit die politische oder ethnische Verfolgung als Asylgrund. Wirtschaftliche Aspekte sieht dieses Gesetz nicht. Man sollte sich für ein vebünftiges Einwanderungsgesetz stark machen. Diese Bemühungen werden jedoch von den staatszersetzenden Kräften torpediert, weil jede Anforderung an einen potentiellen Einwanderer als rassistisch, faschistisch oder ungerecht bezeichnet werden würde.

    Übrigens: Die Welt ist nicht gerecht und nirgens steht geschrieben, dass genau der deutsche Staat dafür zustänig wäre.

  • V
    viccy

    Guten Tag Herr Bax,

     

    man hätte sich gewünscht, sie würden auf das im letzten Absatz schüchtern angedeutete "Potential" der Menschen noch näher eingehen. Worin es liegt, ist nämlich nicht so klar.

     

    Wohlgemerkt, hier soll nicht der Wert des Menschen im Sinne eines Selbstzweckes negiert oder relativiert werden. Aber dennoch ist es nicht das Gelbe vom Ei, wenn Sie im Zusammenhang mit Asylbewerbern das Wort "Potential" benutzen und direkt danach den Artikel einfach beenden.

     

    Wollten Sie durch Abschluss des Textes schnell verdrängen, dass sich vor Ihrem inneren Auge keine Kontur dieses Potentials abgebildet hat?

     

    By the way, als Student hatte ich ebenfalls rund 60% des aktuellen Hartz-4-Satzes. In schäbigen Unterkünften und vielleicht übermäßig repressiven Verhaltensregeln für Asylbewerber könnte man vielleicht eine menschenunwürdige Behandlung sehen, aber die Zahlung von circa 250 Euro in bar oder Sachleistungen Monat für Monat dürfte - für sich betrachtet - wohl nicht gerade ein Fall für amnesty international sein. In Rumänien waren 250 Euro der Monatslohn für einen Nokia-Mitarbeiter (wohlgemerkt, die gab es als Gegenleistung für eine Menge Arbeit).

  • W
    willy

    "Mittelschicht". Aha!

  • S
    strooker

    So sinnvoll der Kommentar in vielen Punkten ist, so wenig werden sich die Ängstlichen und andere in Deutschland darum scheren. Wir haben keine Einwanderungskultur - auch "Alle können rein" ist übrigens noch keine Kultur, sondern ersteinmal nur eine Anweisung an die Grenzpolizei bzw. Einwanderungsbehörden. Diese Kultur muss erst entstehen.

     

    Viele fürchten die Konkurrenz - und wenn Hr. Bax zu Recht darauf hinweist, dass es die Ärmsten selten überhaupt schaffen nach Europa bzw. Deutschland zu kommen, so bestätigt das leider eher die Ängste als das Gegenteil zu bewirken. Es geht zwar auch darum, dass Asylanten kriminell werden können und Geld kosten. Aber vor allem könnten sie möglicherweise Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt und an anderer Stelle werden, wenn man sie in die deutsche Gesellschaft lässt. Das führt auch dazu, dass einige viel mehr Ausländer sehen, als es überhaupt in Deutschland gibt.

     

    Und so stellt sich tatsächlich für einige/viele(?) Menschen die Frage: "Nehmen sich die Asylanten/Einwanderer irgendwann vielleicht etwas, was MIR gehört?". Kurz gesagt: Das Land und alles, was daran hängt, betrachten diese Menschen anscheinend als ihr Eigentum (manchmal auch gegenüber Deutschen, die anderer Meinung sind). Zumindest sind sie nicht bereit zu teilen, Vorteile sehen sie erst gar nicht (Sicherheit gibt es auch nicht - das stimmt), entspannt sind sie keinesfalls.

     

    Daran ist auch die Unsicherheit im sozialen Milieu Deutschlands Schuld. Aber auch aus den vor sozialem Abstieg vergleichsweise sicheren Gesellschaftsschichten kommen diese Ansichten - und werden schlussendlich von der Politik zumindest toleriert (nach dem Prinzip: Frag' nicht, Sag' nichts).

     

    Wir brauchen wirklich die Grundsatzdiskussion in Deutschland, was wir von Zuwanderern erwarten, was wir bereit sind zu geben, und wo wir nicht mehr geben können oder wollen. Dabei wird es wohl auch erschreckende Meinungen geben, aber ignorieren sollten wir das in Deutschland nicht mehr. Zuwanderung ist eines der wichtigsten Zukunftsthemen - und das sogar für ganz Europa.

     

    Und nebenbei: Über 15 Millionen Menschen haben in Deutschland irgendeinen Migrationshintergrund (z.B. auch nach dem 2. WK) - und meistens merkt man es noch nicht mal. Welche Migration ist es also konkret, die Angst macht?

  • SW
    S. Weinert

    "Menschen wie Menschen behandeln". Da können wir anderes besser. Autos bauen, Fussball spielen, anderen Ratschläge geben, die immer noch wie Kommandos klingen... Und das beschränkt sich nicht auf Asylsuchende.

     

    Man muss sich nur einmal die Frage stellen, weshalb ein deutsches Gericht Zeit bis 2012 benötigt, um eine simple Kostenrechnung als vermutlich verfassungswidrig zu erkennen.

  • R
    Ralph

    Das ist auch der Grund, weshalb ich dem europäischen Appell zu "Multi-Kulti" nur ein müdes Lächeln abgewinnen kann.

     

    In Wirklichkeit verhalten wir uns nämlich in dieser Hinsicht genauso wie seit 200-oder-so Jahren, nur daß sich die einzelnen Bezeichnungen für Regionen und Beteiligte seitdem (mehrfach) geändert haben.

  • D
    dillinger

    Gesetzt den Fall, diesen gleichberechtigten Zugang zu Arbeit würde es geben - würde die TAZ einen Asylbewerber einstellen? Und wenn, welchen Job würde die TAZ ihn machen lassen?