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Kommentar Asse-AusschussBizarres Beispiel kollektiven Versagens

Kai Schöneberg
Kommentar von Kai Schöneberg

Hauptsache billig und schnell. Die Atommüll-Lagerung in der Asse war ein katastrophaler Fehler. Die Folgekosten sind enorm, die Gefahren unabsehbar.

Rustikaler Umgang mit Atommüll in der Asse. Bild: dpa

N ach drei Jahren Arbeit zieht der Untersuchungsausschuss zum Atommüllager Asse seine Bilanz: Die angebliche „Entsorgung“ der Atomfässer erfolgte teilweise illegal. Es sollte schnell gehen. Und, noch dazu, wollten die Behörden wollten den leicht und mittelstark radioaktiv verseuchten Schrott aus Forschungsreaktoren, Krankenhäusern und Atomkraftwerken möglichst billig unter der Erde verklappen.

Dafür wurde in den 60er Jahren ein bereits ausgebeutetes, aber schon damals bekanntermaßen einsturzgefährdetes Salzbergwerk an der Grenze zur DDR ausgewählt: Hätte man eine neue, stabilere Lagerstätte genommen, wäre das vielleicht ein paar Millionen Mark teurer gekommen. Aber heute werden die Kosten der Bergung der 126.000 Fässer aus dem Pannen-Endlager auf vier Milliarden Euro taxiert. Wahrscheinlich reicht nicht einmal das.

Die Asse ist ein bizarres Beispiel dafür, wie Industrie, Politik und Wissenschaft jahrzehntelang gemeinsam getrickst, betrogen und belogen haben. Zuerst wurde versprochen, der Atommüll werde eines Tages wieder aus dem „Versuchsendlager“ geborgen.

Dann war geplant, das Bergwerk zu fluten. Immerhin hat der parlamentarische Untersuchungsausschusses im Landtag von Hannover nun nach drei Jahren Arbeit festgestellt, dass in der Asse „unter dem Deckmantel der Forschung“ schwach- und mittelaktiver Müll in großen Mengen entsorgt worden sei, teilweise komplett illegal.

Parteiübergreifende Einigkeit

In vielem sind sich alle Parteien einig. Das ist drei Monate vor der Landtagswahl in Niedersachsen bemerkenswert. Zudem förderte das Gremium zutage, dass die Gefahren der Asse jahrelang totgeschwiegen wurden. Vom Auftreten radioaktiv belasteter Lauge hat die Bergbehörde zwar bereits 1994 gewusst, das Umweltministerium erfuhr davon aber erst 2008 – durch Presseberichte. Da sich das die Fässer umgebende Salz bewegt, ist der Atommüll nur noch schwer für die nun geplante Rückholung auffindbar.

Möglich also, dass die Bergung scheitert und die maroden Fässer das Grundwasser der gesamten Region eines Tages radioaktiv verseuchen. Die Asse ist heute das größte Strahlenschutzproblem in Europa. Die Asse hätte nie Atommülllager werden dürfen, soviel ist klar.

Festzuhalten ist: Die Asse-Erfahrung empfiehlt Salz zumindest nicht als Lagermedium für radioaktiv verseuchten Müll. Vielleicht sollte man es besser mit Granit oder Ton versuchen. Deutschland braucht ein Endlager, das stark radioaktiven Müll die nächsten Jahrtausende vollständig und sicher versiegeln kann.

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Kai Schöneberg
Ressortleiter Wirtschaft und Umwelt
Hat in Bonn und Berlin Wirtschaftsgeschichte, Spanisch und Politik studiert. Ausbildung bei der Burda Journalistenschule. Von 2001 bis 2009 Redakteur in Bremen und Niedersachsen-Korrespondent der taz. Dann Financial Times Deutschland, unter anderem als Redakteur der Seite 1. Seit 2012 wieder bei der taz als Leiter des Ressorts Wirtschaft + Umwelt, seit August 2024 im Sabbatical.
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12 Kommentare

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  • T
    Tastenpunk

    Man kann nur hoffen, dass sich fähige Juristen finden, die die verantwortlichen in der Wirtschaft, den Behörden und in der Politik verklagen für deren vorsätzliches Handeln!

  • M
    manfred (60)

    Der Unmut über die Asse und die Begleitumstände in allen Ehren - aber weshalb werden viel größere Risiken als Asse oder Kernkraftwerke totgeschwiegen? Ich meine die Kernwaffen, die auch in dieser schönen BRD lagern und gelegentlich hin und her gefahren werden. Der Kernbrennstoff in diesen Dingern ist wesentlich höher angereichert und damit auch wesentlich gefährlicher - soll er ja wohl auch sein - als der aus ziviler Nutzung. Welches Gefährdungspotential geht davon aus? Wer schützt die Bevölkerung davor? Welches Konzept für evtl. Endlager gibt es für dieses Zeug?

  • V
    Vaustein

    Bereits in den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts stellten US-amerikanische Wissenschaftler, die Salzstöcke für ihre Eignung zur Einlagerung nuklearer Abfälle untersuchten, fest:

     

    Salt is out!

     

    Das wurde dann auch sachlich begründet.

     

    Dass diese Informationen hier nicht bekannt waren glaube ich nicht. Eher ist zu vermuten, dass diejenigen, die die Asse für lagerfähig benannten, von Dummheit geschlagen waren und mit unsäglicher Ignoranz ihre Entscheidung durchboxten.

  • MS
    Martin Schulz

    Err, ich sagte Ihnen dass schon mal ...

    Tschä, wenigstens ist das ja das einzige derartige

    Problem, wird Ihnen Ihre studierte Atomphysikerin, gewählt von der überwiegenden Bevölkerung, versichern

    können... auch sonst sind ja bei Atom nur ETHISCHE

    Folgekosten zu erwarten ... siehe Abraumhalden der Uranförderung, weiterlaufendes Pseudorecycling, Uranhexafluoridlieferungen ins Ausland, Rückbau...

    Wie immer sauviel Geld für echt gute, präzise, vorrausschauende ... err Weltklasse, was sage ich, Weltbestenleistung , urrm, und die wissen noch nicht mal, was die wann wo verbuddelt haben

    >> Sorgfaltspflicht ?? Verursacherprinzip ?? Haftungsfragen ?? Und nochmal, Danke Schröder

  • D
    dasoe

    Es gibt keinen Platz auf der Erde, wo man etwas "die nächsten Jahrtausende vollständig und sicher versiegeln" kann. Oder, korrekter gesagt, natürlich gibt es Plätze, die jahrtausendelang sicher sind, aber es ist unmöglich es für einen Ort vorherzusagen, Salz hin oder her. Denn die Erde ist kein solides, festes Ding, sondern etwas bewegliches. sehr bewegliches von Zeit zu Zeit. Die Atomkraft war nur möglich, weil die Menschen zu klein (oder zu ignorant) sind um das zu begreifen. Sie wird uns noch viele schreckliche Dinge bescheren.

    Was ich ein wenig schade finde, ist die Formulierung "wie Industrie, Politik und Wissenschaft jahrzehntelang gemeinsam getrickst...", die impliziert fast, dass das vorbei, und wir jetzt klüger seien. Menschen lernen aber nicht. Erlebnisse wie bei der Asse werden sich immer und immer wiederholen, weil der Mensch nicht nachhaltig denkt und keine Prioritäten setzen kann. Er kann es einfach nicht. 4 Milliarden €, komplett vorhersehbare Kosten, nach 50 Jahren. Und in ihren Theorien reden die Menschen von Jahrtausenden...

  • E
    elo

    Kompletter Quatsch einer hysterischen Ökomafia. Allein die Änderung des Rechtsstatus der Asse hat den "Skandal" gemacht.

    Wenn man mal nachrechnet, hat das ausgegrabene Gestein vermutlich eine höhere Strahlung als die eingelagerten Fässer.

    Auch die Lagerung der Fässer war in Ordnung: das Abkippen mit späterer Überlagerung durch Salz (verbackt betonfest) ist die risikolose Variante. Das Einstellen in Regale hätte mehr Risiken gehabt.

    Also mal wieder gelogen von der Ökomafia.

    Was gibts sonst neues?

  • E
    eckheuer

    Obwohl schon zu Zeiten der ersten Einlagerung in die Asse die Gefahren von Asse II allen Verantwortlichen wie auch der Anti-AKW-Bewegung bekannt waren, Demonstrationen am Schacht Konrad und anderswo mit aller Gewalt niedergeknüppelt wurden und damit viele der damaligen Atomkraftgegner in Frust und Gewalt getrieben wurden, die damals anwesenden Polizisten und Schlapphüte sich heute Fragen sollten, wofür Sie damals und heute standen und stehen, ist noch immer die Subvention von Atomkraft, Gas und Kohle völlig normal, Folgekosten der Atomkraft werden nicht dargestellt und eine Steigerung auf etwas über 5 €Ct ist Anlass zu Pressemeldungen ohne Ende.

     

    Damit muss endlich Schluss sein und Politiker wie Wirtschaftsbosse müssen zur Verantwortung gezogen werden, ansonsten glaubt hier bald keiner mehr was und wir werden nur noch verdummt.

  • M
    Müller

    So ein Fass ist halt kein Salzhering.

  • W
    Westberliner

    Jemand, der juristsch "bewandert" ist, sollte eine Strafanzeige stellen.

  • W
    Willybald

    Etwas mehr positive Denkweise! Wo andere kollektiv versagen, haben sich andere mit Erfolg durchgesetzt! Ich gratuliere an dieser Stelle der Atommafia, den Energiekonzernen und unseren flexiblen Politikern zu dem Geniestreich. Der sogenannte billige Atomstrom ist deswegen billig, weil sämtliche Risiken und die Entsorgung durch den Steuerzahler heute und in den nächsten paar tausend Jahren übernommen werden. Hauptsache die Industrie bekommt billigen Strom.

     

    Aber statt den Atomstrom angemessen einzupreisen und einen Wettbewerb der günstigen Energieformen zu ermöglichen, werden Solar- und Windkraft-Schneeballsysteme ineffizient gefördert.

  • W
    Wolfgang

    Die kommenden Gefahren für die Bevölkerung und Natur waren absehbar und kein ('harmloses') kollektives Versagen aus 'Dummheit'! Entsprechend müssen alle Verantwortlichen aus Wirtschaft und Politik - analog vorsätzlichem Schwerverbrechen - zur Verantwortung gezogen werden, einschließlich höchste Haftstrafen ohne Bewährung!

  • AR
    Antoninus R.

    Unser Tsunami im Salz! (... war ja völlig unvorhersehbar! War eine elende, miese Laune der Natur im Hunderttausend-Jahes Rhythmus! - Nur denkbar im sozialistischen Grenznahbereich als ideologische Verwerfung!)