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Kommentar AssangeAuf nach Schweden!

Reinhard Wolff
Kommentar von Reinhard Wolff

Die britische Justiz ist dafür, Julian Assange nach Schweden auszuliefern. Wenn Assange seine Unschuld beweisen will, sollte er sich dem Verhör stellen.

D ie britische Jutiz sieht wie erwartet kein Hindernis, Julian Assange nach Schweden zu überstellen. Damit er dort zu Vorwürfen gehört werden kann, womöglich eine Straftat begangen zu haben. Wenn Assange endlich seine Unschuld beweisen will, sollte er jetzt ins nächste Flugzeug steigen und sich diesem Verhör stellen. Wird er aber nicht. Assange wird weiter verzögern, weil er, wie seine Anwälte sagen, der schwedischem Justiz nicht traut.

Der schwedischen Justiz kann man viel vorwerfen. Nach Urteilen, mit denen einem Jurastudenten im vierten Semester ein Mangelhaft in der Strafrechtsklausur drohen würde, muss man nicht lange suchen. Und die Staatsanwaltschaft tut manchmal das, was die Politik von ihr will. Aber wo gibt es ein perfektes Rechtssystem? Und seit wann sind Mängel ein Argument dafür, sich einer Voruntersuchung nicht zu stellen? Darf man demnächst mit dieser Begründung ungestraft Frauen vergewaltigen oder Banken überfallen? Das Londoner Gericht ließ solche Argumente nicht gelten.

Ist das Auslieferungstheater Assanges ausgeprägtem Verfolgungswahn geschuldet? Soll es der Vermarktung seines demnächst erscheinenden Buches dienen? Ist er juristisch einfach schlecht beraten? Wie auch immer: Den Wikileaks-Mann erwartet schon wegen der breiten internationalen Öffentlichkeit in Schweden ein faires Verfahren, das dürfte jedenfalls feststehen.

Bild: privat

REINHARD WOLFF ist Skandinavien-Korrespondent der taz.

Und wenn die USA tatsächlich ein Strafverfahren gegen Assange eröffnen und während seines Aufenthalts in Schweden seine Auslieferung fordern sollten? Dann ist er davor in Stockholm genauso sicher wie in London. Im Gegenteil: Es müssten dann nicht nur die schwedische, sondern auch die britische Justiz einer solchen Überstellung ausdrücklich zustimmen. Das sollten die Anwälte Assange von Anfang an erklärt haben.

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Reinhard Wolff
Auslandskorrespondent Skandinavien und das Baltikum
Lebt in Schweden, schreibt seit 1985 für die taz.
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12 Kommentare

 / 
  • GF
    Gerda Fürch

    Wieso wird Julian Assange "ausgeprägter Verfolgungswahn" nachgesagt und verächtlich vorgeworfen? Er wurde doch tatsächlich verfolgt, er wurde doch tatsächlich gejagt und wird immer noch tatsächlich verfolgt! Von der schwedischen und von der US-amerikanischen Justiz.

     

    Und Wikileaks und seine zahlreichen Anhängerinnen und Anhänger wird auch in die eine oder in die andere Richtung verfolgt und gejagt.

     

    Diesen sogenannten "Verfolgungswahn" hätte ich also auch und ich glaube sogar jedermann, wenn ich die nationale und internationale Politik verfolge.

     

    Ich erinnere an den Fall "Olaf Palme", der von den Schweden nie aufgeklärt wurde. Das kann einem Julian Assange in Großbritannien und in Schweden möglicherweise auch passieren, wenn plötzlich ein "Irrer", ein "Geistesgestörter" mit Waffe auftaucht, schießt und todsicher trifft. Es geht dabei eindeutig um den Kampf gegen Wikileaks und Julian Assange soll als verhaßter Gründer das Opfer sein. Der Mann liebt aber nun mal sein Leben und sein "Kind" Wikileaks, das er tatsächlich ganz alleine in Australien "geboren" hat, und beides soll ihm nun genommen werden. Das sollte verhindert werden.

     

    Wieso ist immer nur von der britischen, schwedischen und US-amerikanischen Justiz die Rede? Wieso wird nichts über die australische Justiz geschrieben und nicht informiert? Julian Assange ist Australier!

  • A
    acepoint

    »Wenn Assange endlich seine Unschuld beweisen will, sollte er jetzt ins nächste Flugzeug steigen und sich diesem Verhör stellen«

     

    Hallo? McFly? Jemand zu Hause? Schon einmal von dem Rechtsprinzip der Unschuldsvermutung gehört?

  • P
    Peter

    Ich finds extrem spannend, dass hier kein Kommentator auf den Aspekt des Artikels eingeht, dass die Wahrscheinlichkeit einer Auslieferung an die USA in Schweden keineswegs größer ist als in GB, und in diesem speziellen Fall sogar geringer.

     

    Und ich erdreiste mich auch, zu glauben, zu wissen, woran das liegt:

    Dann müsste man sich ja eingestehen, dass Assanges Anwälte und er selbst jederzeit bereit sind, in dieser Angelegenheit jede nur denkbare Fehlinformation zu verbreiten. Denn sie wissen, die Jünger des Heiligen Julian werden es ihnen abkaufen.

     

    Das ist denen ein tiefes psychisches Bedürfnis.

    Ihr Märtyrer ist bereits so gut wie tot, weil das zu Heldengeschichten nun mal dazu gehört.

    Und darunter machen sies nicht.

  • G
    Gast

    Danke einer regen Internetcommunity sind die Umstände der vermeintlichen Tat und der Fakten, die jetzt versucht werden, unter den Tisch zu kehren, bei Interessierten bereits hinlänglich bekannt. Wird Assange in Schweden einen fairen Prozess bekommen? Davon ist nicht auszugehen. In Schweden gilt es bereits als Vergewaltigung, wenn ein Kondom platzt. Eine - wie in diesem Fall - von der reuigen Frau plötzlich geänderte Meinung gilt hier bereits als Beweis, und der Angaklagte muss seine Unschuld beweisen. Assange sollte nach Schweden gehen - nicht, weil er eine Chance hat, diesen Prozess zu gewinnen. Doch die Farce, die diese Anschuldigung bereits jetzt darstellt, wird helfen, das Wahnsinnssystem, das den schwedischen Rechtsstaat bereits tief korrumpiert hat, bekannter zu machen und verdient tiefer in Verruf zu bringen.

  • S
    Seeräuber-Jens

    Eine Frau sagt einem Mann klipp und klar: Wir gehen gemeinsam in die Kiste, aber nur, wenn Du ein Gummi überziehst, und so geschieht es.

     

    Stunden später wacht sie auf, weil er sich wieder in ihr bewegt - Ohne Gummi.

     

    Das wird so von Assagne nicht mehr bestritten. Und dafür gehört der allerdings hinter schwedische Gardinen. Wo ist das Problem?

     

    Und wenn Ihr Schweden nicht traut, wo soll er sonst einsitzen? Vorschläge? Denn Einsitzen muß er, und das mit Recht!

  • F
    F.Guthammer

    Das mit dem geplatzten Kondom ist wirklich eine Schande. Er sollte unverzüglich nach Guantanamo überstellt werden, dafür hat anderswo schon das Lesen des Koran gereicht. Re. USA und Folter siehe:

    http://www.bbc.co.uk/news/world-south-asia-12566027

    In die Revision zu gehen, bringt wohl nur eine kleine Verzögerung. Das Vereinigte Königreich hat von Irak bis Irland und durch einige von internat. Instanzen verurteilte Menschenrechts-verletzungen bewiesen, dass es schon lange kein Gradmesser für das Recht ist. Trotz großen Drucks der Öffentlichkeit war dies Verfahren auch nicht fair - der Richter hätte z.B. eine Vernehmung in London anbieten können.

  • A
    Ardin

    es ist unbegreiflich für mich dass die TAZ gegenüber der Schwedischen Justiz eine blinde Vasallentreue zeigt; ganz wie die BILD gegenüber Guttenberg. Die unter den Tisch gewischten Fakten:

    - Assange wird _NICHT_ vorgeworfen, eine Frau mit Gewalt oder Drohung für Leib und Leben gemäß deutschem §177 missbraucht zu haben.

    - Die Ermittlungen in Schweden waren bereits eingestellt und wurden auf politischen Druck wieder eröffnet.

    - Die Schwedische Justiz hätte eine Vernehmung in UK durchführen können, war daran aber nicht interessiert.

    - Das einst stolze blockfreie Schweden hat sich zu dem treuesten Dackel der USA entwickelt (google: al-Zery).

    Natürlich sind nicht alle Protagonisten CIA Agenten. Sehr wohl kann man die Statsanwältin Marianne Ny als karrieregeil bezeichnen, und Assange -egal wie- zur Strecke gebracht zu haben wird ihr im neuen Schweden bestimmt nicht schaden.

  • P
    Peter

    Na, wie Assange selber in unregelmäßigen Abständen kolportieren lässt, ist damit ja sein Todesurteil besiegelt.

     

    R.I.P.

  • N
    Ndege

    "Den Wikileaks-Mann erwartet schon wegen der breiten internationalen Öffentlichkeit in Schweden ein faires Verfahren, das dürfte jedenfalls feststehen."

     

    Ich lach mich tot. Das wird die schwedische Justiz von rein garnichts abhalten. Wenigstens sieht Herr Wolff ein, dass Schwedens Justiz - gerade im Strafrecht - eklatante Mängel aufweist. Den Widerwillen Assanges, sich dieser Inquisition zu stellen, kann ich verstehen.

  • RM
    Regine Metes

    Es ist eine Farce

    EU-Haftbefehl für J. Assange: Vorwurf geplatztes Kondom. (Richtig gehört).

    Dahinter steht: der Angriff auf Wikileak. Wikileak stört weil es für Menschenrechte und Pressefreiheit eintritt. Und den Anspruch hat, die Welt vielleicht ein wenig besser zu machen durch Aufdeckung von Unwahrheiten etc.

    Was kann hinter Ermittlungen wegen "Vergewaltigung" stehen, wenn die Aussage gemacht wird, daß diese eingestellt werden, wenn Amerika Ermittlungen wegen Veröffentlichung von Dokumenten anstellt? Garnichts. Diese Ermittlung in Schweden ist der Vorwand, Wikileak zu ruinieren. Das tut auch schon ein ehemaliger Mitarbeiter, der die Software entwendete und eine eigene Plattform gegründet hat.

    Hier wird ein "Guter" zur Beute, weil's die Schlechten nicht ertragen, bloßgestellt zu werden, bzw. ihre fatalen Spiele ungestört weiter spielen möchten (siehe Krieg gegen den Terror, der jetzt auf Umwegen ganz Arabien unterminiert).

    Im Falle von Julien Assange fehlt jedenfalls jegliches Maß und hier wird die Menschenwürde mit Füßen getreten. Und er hat Recht, wenn er sich weigert, nach Schweden ausgeliefert zu werden, weil da etwas ganz anderes dahinter steht.

  • H
    Hesiod62

    Seit wann muß ein Beschuldigter seine Unschuld beweisen? Wie soll das praktisch gehen: beweisen, daß man etwas nicht getan hat?

  • W
    w.ott

    Die schwedische Justiz hatte einige Wochen lang Zeit zur Vernehmung. Sofern sie vernehmen möchte, kann sie dies jederzeit auf verschiedenen Wegen tun. Ein 'Europäischer Haftbefehl' als Zwangsmittel lediglich für eine Aussage als Beschuldigter (kann man fast überall auf der Welt verweigern), nur weil irgendein Staatsanwalt sich zu fein ist zum telefonieren (o.ä.)? Niemand sollte so einem Unfug auch noch Vorschub leisten.