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Kommentar Argentinien-RegierungLizenz zum Plündern, verlängert

Jürgen Vogt
Kommentar von Jürgen Vogt

Der Kirchner-Clan hat Argentinien jetzt fest in seinem Griff. Die Rückführung der natürlichen Ressourcen in staatliche Hände ist nach wie vor kein Thema für die Regierung.

F rauen an die Macht? In Merkel-Deutschland und im Nachbarland Chile mit Michelle Bachelet mag das so sein. In Argentinien dagegen ist ein Familienclan am Werk. Sein Vorgehen ist immer das gleiche: Die Macht konzentrieren, die Staatskasse sichern und die Ausgaben im Sozial- und Investitionsbereich unter Kontrolle bringen. So hielt man es anfangs im südlichen Río Gallegos, später in der Provinz und dann im ganzen Land.

In der Heimatprovinz Santa Cruz ließ der Clan sofort nach Eroberung des Gouverneurspostens die Verfassung auf eine unbegrenzte Wiederwahl umstellen. Als sich abzeichnete, dass eine unbegrenzte Wiederwahl Néstor Kirchners auf nationaler Ebene nicht durchsetzbar ist, baute der Clan die Kandidatur von Cristina auf. Ihr Mann hätte problemlos für eine zweite, unmittelbare Amtszeit kandidieren können. Aber 2011 hätten die Argentinier nach acht Jahren Néstor ja vielleicht genug von ihm gehabt. Jetzt hat der Clan für 2011 zwei Optionen: Néstor und Cristina. In Argentinien spricht man bereits von der Kirchner-Monarchie.

Néstor Kirchner begann 2003 erfolgreich, das Kapitel Menschenrechte aufzuarbeiten. Der Wirtschaftsboom spülte ihm finanzielle Mittel in die Staatskasse; Armut und Arbeitslosigkeit gingen zurück. Aber ein zentrales Thema rührte er nicht an: die Rückführung der natürlichen Ressourcen in staatliche Hände. Anders als in Bolivien und Venezuela fließen die Gewinne aus der Förderung von Öl, Gas und Erzen weiter außer Landes.

Mehr noch: Unter Néstor Kirchner wurden die privaten Konzessionen bereits 10 Jahre vor ihrem Ablauf um weitere 30 Jahre verlängert. Einen Vaterlandsverräter vom Format eines Menem nannte ihn deshalb der Filmemacher Fernando Solanas. Cristina Kirchner wird daran nichts ändern.

Im Gegenteil. Gerade hat der Clan ein neues Mitglied bekommen: Der künftige Vizepräsident Julio Cobos hat als Gouverneur der an Bodenschätzen reichen Provinz Mendoza dort gerade ein restriktiveres Bergbaugesetz verhindert. Eine politische Bewegung gegen diese Politik beginnt sich erst allmählich zu formieren.

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Jürgen Vogt
Korrespondent Südamerika
Kommt aus Karlsruhe. Studierte Politische Wissenschaft in Hamburg und Berlin und arbeitete zwölf Jahre als Redakteur und Geschäftsführer der Lateinamerika Nachrichten in Berlin. Seit 2005 lebt er in Buenos Aires. Er ist Autor des Reisehandbuchs “Argentinien”, 2024, Reise Know-How Verlag.
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1 Kommentar

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  • ME
    Maria Eugenia Chavez

    Was Bolivien anbelangt, irren Sie sich Herr Vogt. In der sogenannten Nationalisierung der Kohlenwasserstoffe vom 1.5.2006 wurden die Anteile der Bolivianer (siehe: plan de todos) an dem Staat zurückgegeben. Die Konzerne blieben unangetastet. Das verhängnisvolle Dekret 24806 vom 4.8.1997 (google:D.S. 24806), das Eigentum, Kommerzialisierungsrecht und Preisgestaltung an die Konzerne übertrug, blieb bestehen, u.a., weil das Verfassungsgericht das verhängnisvolle Dekret als verfassungskonform anerkannte. Es wurden neue Verträge abgeschlossen, die etwas günstiger sind als diejenige, die unter Sanchez de Lozada am 5.8.1997 unterschrieben wurden. Im Jahr 1997 stellte Bolivien die zweitkorrupteste Regierung der Welt, nach NIGERIA einer Diktatur. Die neue Verträge sind etwas günstiger als die alten, doch die Kohlenwasserstoffe gehören immer noch nicht dem Staat. Früher bezahlte Bolivien für 1.000.000 BTU 5,46 Dollar. Der Exportpreis von Pacific LNG für Chile sollte 0.70 Dollar betragen, d.h. dass um 1 Atom Gas konsumieren zu können, mußte Bolivien 42 Atome exportieren. Der Preis für Bolivien liegt nun bei 1.10 Dollar und der Exportpreis durchschnittlich bei 4.50. Die neue Verträge gelten ebenfalls für 30 lange Jahre.

    Dazu: Los nuevos contratos neoliberales in www.cedib.orb Die Artikel von Andres Soliz Rada in www.bolpress.com Mirko Orgaz: Evo Morales enganho al pueblo boliviano Das Dekret 24806 wurde vom Vizepräsidenten des Int. Gerichtshof in Den Haag unterschrieben Rene Oswaldo Blattmann Bauer