Kommentar Areva-Atompfusch: Atomkraft um jeden Preis

Vertrauen und Sicherheit aufs Spiel gesetzt: Ein französisches Staatsunternehmen mogelt bei der Qualität von Bauteilen für Atomanlagen.

Blick auf einen Kühlturm aus der Ferne

Eine Areva-Anlage in Südfrankreich Foto: reuters

Frankreich hat seit Jahrzehnten voll auf die Atomkraft gesetzt. Weder Tschernobyl noch Fukushima konnten daran etwas ändern. Das Risiko der Investition hatte von Beginn an der Staat zu tragen, der heute bis zum Hals in dieser Verantwortung steckt.

Der Industriekonzern Areva, im dem von der Uranförderung, -aufbereitung und -entsorgung bis zum Bau der Reaktoren die ganze Technologie konzentriert wurde, ist ein Staatsunternehmen. Das verhinderte allerdings nicht, dass Areva Fehlinvestitionen machte und aufgrund hoher Verluste an den Rand der Zahlungsunfähigkeit geriet. Einmal mehr musste der Staat einspringen. Es scheint, als habe die Atomkraft keinen Preis, oder, besser gesagt: Frankreich hält um jeden Preis uneinsichtig an seiner Priorität fest.

Schlimmer noch als die finanzielle Schieflage ist der nachhaltige Misskredit, der Areva jetzt droht – wegen des dringenden Verdachts, dass bei der Herstellung von Bestandteilen für Atomanlagen im In- und Ausland geschummelt wurde. Dazu liegen laut der Atomschutzbehörde ASN rund 400 Dossiers vor. Konkret könnte dies bedeuten, dass bestimmte Produkte, laut Medienangaben namentlich aus der Stahlgießerei Le Creusot, die Qualitätsauflagen nicht erfüllen.

In einem Sektor, in dem die Sicherheit weitgehend von der Einhaltung hoher Standards abhängt, ist das mehr als schockierend. Es bedeutet, dass führende Leute des Atomkonzerns die wirtschaftlichen Interessen der Industrie leichtfertig, ja fast systematisch über den Schutz der Bevölkerung gestellt haben. Darum ist dieser mutmaßliche Betrug noch weit schlimmer als etwa der Skandal mit manipulierten Abgasnormen der Dieselfahrzeuge.

Natürlich wird nun sofort versichert, der Schwindel könne keine schwerwiegenden Folgen haben, denn wirklich schadhafte Teile seien nie geliefert worden. Doch wer soll das jetzt noch glauben? Eine Industrie, die sich solche Mogeleien leistet, verdient nicht das Vertrauen einer Bevölkerung, die selbst in Frankreich an der Zukunft der Atomkraft zu zweifeln beginnt.

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Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.

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