Kommentar Anti-Atom-Demo: Neuer Konsens gegen die Konzerne

Ein Atomausstieg, das wird immer klarer, kann nach einem Regierungswechsel nicht mit den Konzernen verhandelt, sondern nur gegen sie durchgesetzt werden.

Die Hoffnungen der Organisatoren wurden nicht enttäuscht: Mit bis zu 100.000 DemonstrantInnen war der Anti-Atom-Protest am Samstag etwa doppelt so stark wie vor einem Jahr. Auch wenn manch einer angesichts der gewaltigen öffentlichen Empörung über den dreisten Atomdeal der Regierung insgeheim vielleicht sogar noch mehr erwartet hatte, zeigt die Großdemonstration doch deutlich: Die Entscheidung der Bundesregierung für längere Laufzeiten treibt die Menschen nicht in die Resignation, sondern erst recht auf die Straße.

Dass sich Schwarz-Gelb davon beeindrucken ließe, ist indes nicht zu erwarten. Statt zu erkennen, dass sich der Protest gegen die Atompolitik immer weiter in ihre eigene Wählerschaft ausdehnt, verschanzen sich die Regierungsparteien in ihrer Wagenburg und beschimpfen die Protestierenden als Minderheit. Vielleicht gibt es angesichts der drohenden Wahlniederlage in Baden-Württemberg noch Korrekturen im Detail, etwa an den Sicherheitskriterien. Doch insgesamt haben Union und FDP die Chance, ihre Energiepolitik zu modernisieren, mit dem Festhalten an der harten Pro-Atom-Linie fürs Erste vertan.

Die realistischen Hoffnungen ruhen damit auf der Opposition. Und sie sind seit Samstag nicht nur deshalb größer, weil offensichtlich wurde, wie sehr sich die bürgerliche Regierung mit ihrer Atompolitik von der Bevölkerung entfremdet hat. Entscheidend ist zudem, wie entschlossen SPD, Grüne und Linke den Schulterschluss mit der Bewegung gesucht und wie aktiv sie sich in die Mobilisierung eingebracht haben. Damit sind die Fronten für die Zukunft klar. Hinter ihr klares Bekenntnis zur Anti-Atom-Bewegung wird die Opposition später nicht mehr zurückfallen können.

Bei ihrem ersten Versuch, die Atomkraft in Deutschland zu beenden, haben SPD und Grüne noch auf "Konsens" mit den Energiekonzernen gesetzt - mit dem bekannten Ergebnis, dass diese ihre Reaktoren zehn Jahre ungestört laufen lassen konnten, um den Vertrag dann aufzukündigen. Auch innerhalb der Parteien sehen viele das inzwischen als Fehler.

Der Schulterschluss mit der Bewegung erhöht die Chancen, dass sich dieser Fehler nicht wiederholt. Ein Ausstieg, das wird immer klarer, kann nach einem Regierungswechsel nicht mit den Konzernen verhandelt, sondern nur gegen sie durchgesetzt werden. Wenn das seit Samstag Konsens ist, ist viel gewonnen.

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Jahrgang 1971, war bis September 2022 Korrespondent für Wirtschaft und Umwelt im Parlamentsbüro der taz. Er hat in Göttingen und Berkeley Biologie, Politik und Englisch studiert, sich dabei umweltpolitisch und globalisierungskritisch engagiert und später bei der Hessischen/Niedersächsischen Allgemeinen in Kassel volontiert.   Für seine Aufdeckung der Rechenfehler von Lungenarzt Dr. Dieter Köhler wurde er 2019 vom Medium Magazin als Journalist des Jahres in der Kategorie Wissenschaft ausgezeichnet. Zudem erhielt er 2019 den Umwelt-Medienpreis der DUH in der Kategorie Print.

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