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Kommentar Anschlag in der TürkeiErdoğan muss Position beziehen

Jürgen Gottschlich
Kommentar von Jürgen Gottschlich

Die türkische Führung ist nun gezwungen, gegen den IS aktiv zu werden. Alles andere wäre eine Kriegserklärung an die Kurden.

Nach dem Anschlag: Angehörige trauern am Sarg eines Opfers am Dienstag in Gaziantep. Foto: ap

A uch wenn es bislang kein Bekennervideo des sogenannten Islamischen Staats gibt: Sowohl die konkreten Ermittlungen als auch der politische Zusammenhang sprechen dafür, dass der IS für das Massaker an den Jungsozialisten im südtürkischen Suruç verantwortlich ist.

Die erste Reaktion der Regierung in Ankara ist eine Aufstockung der Militärpräsenz entlang der syrischen Grenze. Doch das Attentat in Suruç stellt nicht nur die Arbeit von Militär und Sicherheitsdiensten infrage. Es wurde aus politischen Gründen verübt und erfordert eine politische Antwort. Der IS wollte sich mit dem Anschlag für die Niederlage im syrischen Kobani rächen, aus dem ihn die Kurden vertrieben hatten. Vor allem aber wollte er den Zwist zwischen der kurdischen Bewegung und der Regierung weiter vertiefen.

Schon im Wahlkampf hatte Präsident Erdoğan getönt, es gebe keine kurdische Frage mehr, über die noch verhandelt werden müsse. Seit seiner Wahlniederlage, für die er die kurdische HDP mitverantwortlich macht, gibt es erst recht keine Friedensgespräche mehr.

Der Terroranschlag in Suruç wird die Regierung und vor allem Präsident Erdoğan nun zwingen, eindeutig Position zu beziehen. Wenn die gegenwärtige Interimsregierung unter dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Ahmet Davutoğlu mit Erdoğan im Hintergrund jetzt nicht eindeutig gegen den IS aktiv wird – und zwar sowohl innerhalb der Türkei als auch in der internationalen Anti-IS-Koalition –, kommt das einer indirekten Kriegserklärung gegen die Kurden gleich.

Das wäre gleichzeitig eine Entscheidung gegen eine Koalitionsregierung, denn der mögliche Koalitionspartner von Erdoğans AKP, die CHP, fordert eine Abkehr von der Unterstützung der Islamisten in Syrien. Neuwahlen im Herbst wären die Folge. In der Hoffnung, rechte Wähler zurückzugewinnen, würde Erdoğan dann ganz unverhohlen die nationalistische, antikurdische Karte spielen.

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Jürgen Gottschlich
Auslandskorrespondent Türkei
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