Kommentar Anschlag in Moskau: Und jetzt eskaliert die Gewalt
Blühende Demokratie in Russland ist unvorstellbar, solange nicht der vom Nordkaukasus ausgehenden Gewaltspirale Einhalt geboten wird. Der Krieg hat die Metropolen erreicht.
D er Terror von Domodjedowo dürfte der Startschuss für eine weitere Eskalation der Gewalt in Russland sein. Lange haben Menschenrechtler davor gewarnt, dass sich die Brutalität nicht auf ein kleines Gebiet, den Nordkaukasus, eingrenzen lasse. Eine auch nur annähernd blühende Demokratie in Russland ist nicht vorstellbar, solange nicht der vom Nordkaukasus ausgehenden Gewaltspirale Einhalt geboten wird. Es kann nicht sein, dass im dort Zivilisten von russischen Sicherheitskräften verschleppt und gefoltert werden, radikale Islamisten gleichzeitig ganze Ortschaften terrorisieren und unterdessen der Rest des Landes prosperiert.
Die Gewalt aus dem Nordkaukasus kommt immer mehr auf Russlands Metropolen zu. Noch nie sind im Gebiet Moskau in so kurzem Zeitraum so viele Menschen, ein Dutzend, alle von ihnen Moslems, verschleppt worden, wie in den letzten Monaten.
Doch nicht nur die staatlichen Sicherheitskräfte, auf deren Konto die jüngsten Verschleppungen von Moslems im Raum Moskau gehen dürfte, wenden in den Metropolen an, was sie im Nordkaukasus gelernt haben. Auch der aus dem Nordkaukasus stammende islamistische Widerstand scheint zu einem gewalttätigen Widerstand in den Straßen der russischen Metropolen entschlossen.
"Der Krieg wird in eure Straßen kommen und Ihr werdet ihn direkt in eurem Leben erfahren", drohte Islamistenchef Umarow im Internet.
Auch im Alltag prägt der zunehmende Haß zwischen Russen und Kaukasiern das Zusammenleben. Kaukasier wurden in jüngster Zeit immer mehr in Russlands Städten zum Hassobjekt.
Unvergesslich sind die Bilder von mehreren hundert russischen Jugendlichen, die Mitte Dezember mitten in Moskau Jagd auf Kaukasier machten. Leider ist keine gesellschaftliche Autorität erkennbar, die hier eine Vermittlerrolle übernehmen würde.
Zwar plant die orthodoxe Kirche, in den Auseinandersetzungen zwischen Russen und Nichtrussen eine mäßigende Rolle zu spielen. Zu einem Treffen, bei dem im Dezember überlegt werden sollte, wie sich in dieser angespannten Lage ein interreligiöser Dialog initiieren lasse, waren Vertreter der fremdenfeindlichen "Bewegung gegen illegale Migration", eingeladen worden - aber niemand, der die Kaukasier oder andere moslemisch geprägte Regionen vertreten hätte.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Anschlag in Magdeburg
Bis Freitag war er einer von uns
Elon Musk und die AfD
Die Welt zerstören und dann ab auf den Mars
Anschlag in Magdeburg
Der Täter hat sein Ziel erreicht: Angst verbreiten
Erderwärmung und Donald Trump
Kipppunkt für unseren Klimaschutz
Tarifeinigung bei Volkswagen
IG Metall erlebt ihr blaues „Weihnachtswunder“ bei VW
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund