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Kommentar Anschlag ItalienKaum die Handschrift der Mafia

Michael Braun
Kommentar von Michael Braun

Mafiosi töten die, die ihnen in die Quere kommen – Berufschüler gehören nicht dazu. Dennoch reden Kenner der Materie von einer neuen „Strategie der Spannung“.

N ein, eigentlich kann es die Mafia nicht gewesen sein. Eigentlich kann sie die Bombe nicht gelegt haben, die in Brindisi ein 16-jähriges Mädchen das Leben kostete. Nicht, weil es den Bossen an der nötigen Grausamkeit mangelte, um unschuldige Opfer zu töten.

Das haben sie immer wieder getan – aber mit brutaler Präzision, zum Beispiel als sie in Palermo den elfjährigen Sohn eines Kronzeugen entführten, nach Monaten der Gefangenschaft ermordeten und in Salzsäure auflösten.

Eben diese Präzision fehlt bei dem Anschlag von Brindisi. Welchen Vorteil sollte die lokale Mafia davon haben, dass sie willkürlich eine Gruppe von Schülerinnen ins Visier nimmt? Mafiosi töten die, die ihnen in die Quere kommen: die, die sich weigern, Schutzgeld zu zahlen, auch Angehörige gegnerischer Clans.

Michael Braun

ist Italien-Korrespondent der taz.

Und doch kommen die Spekulationen um eine mafiöse Handschrift bei dem Anschlag nicht von ungefähr. Denn von der ehernen Regel der „chirurgischen“ Natur der Mafiamorde gab es doch einige Ausnahmen. Im Jahr 1993 explodierten nachts Bomben vor Kirchen und Museen in Rom, Mailand und Florenz; zehn Menschen fielen ihnen zum Opfer. Jene Anschläge fielen in eine Zeit tiefer politischer Krise, in eine Zeit, in der Cosa Nostra mit terroristischer Taktik Zugeständnisse des Staats herbeibomben wollte.

In eine Zeit auch, in der Vertreter der Sicherheitsapparate in regem Kontakt, ja in Verhandlungen mit den Bossen standen, und beide Seiten waren daran interessiert, die Widerstände gegen einen Kompromiss zwischen Staat und Mafia aus dem Weg zu räumen.

So reden auch die Kenner der Materie von einer neuen „Strategie der Spannung“ als mögliche Erklärung. Wenn es die Mafia war, dann hat sie diesmal gewiss nicht allein agiert, sondern im Verein mit Hintermännern aus Politik und Staatsapparat.

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Michael Braun
Auslandskorrespondent Italien
Promovierter Politologe, 1985-1995 Wissenschaftlicher Mitarbeiter an den Unis Duisburg und Essen, seit 1996 als Journalist in Rom, seit 2000 taz-Korrespondent, daneben tätig für deutsche Rundfunkanstalten, das italienische Wochenmagazin „Internazionale“ und als Wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Büro Rom der Friedrich-Ebert-Stiftung.
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3 Kommentare

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  • MB
    Michael Braun

    Werte Kitti,

     

    hier ein Link mit einer langen Liste von Opfern der Mafia, auch wegen Schutzgeld, auch weit nach 1992/1993:

     

    http://vittimemafia.it/index.php?option=com_content&view=category&id=35&Itemid=67

     

    Es stimtt, die Mafia (und damit meine ich nicht bloß die Sizilianer, sondern auch Camorra, ndrangheta, Sacra Corona Unita) mordet heute weniger als vor 20 Jahren - doch dass sie sich die Hände niocht mehr mit Blut befleckt, ist reiner Mythos.

  • MB
    Michael Braun

    Werte Kitti,

     

    hier ein Link mit einer langen Liste von Opfern der Mafia, auch wegen Schutzgeld, auch weit nach 1992/1993:

     

    http://vittimemafia.it/index.php?option=com_content&view=category&id=35&Itemid=67

     

    Es stimtt, die Mafia (und damit meine ich nicht bloß die Sizilianer, sondern auch Camorra, ndrangheta, Sacra Corona Unita) mordet heute weniger als vor 20 Jahren - doch dass sie sich die Hände niocht mehr mit Blut befleckt, ist reiner Mythos.

  • K
    Kitti

    "Mafiosi töten die, die ihnen in die Quere kommen: die, die sich weigern, Schutzgeld zu zahlen..." - dieser Behauptung möchte ich vehement widersprechen. Die Mafia von heute fährt andere Strategien, sie ist nicht mehr die Mafia der 80er und 90er Jahre - eine Zeit, in der auch Unternehmer für ihre Weigerung, Schutzgeld zu zahlen, getötet wurden. Seit dem Mord an Libero Grassi 1991 in Palermo ist kein Unternehmer mehr auf dem Stiefel ums Leben gekommen, denn die Mafia hat offenbar aus ihren Fehlern gelernt, dass sie sich mit jedem vergossenen Tropfen Blut Feinde schafft und sich unter Umständen damit selbst schadet.

    Und so wächst glücklicherweise die Zahl derer, die kein Schutzgeld (mehr) zahlen. In Sizilien haben sich etwa schon rund 800 Geschäftsleute der Anti-Schutzgeld-Bewegung "Addiopizzo" angeschlossen, in Neapel sind es ca. 250, und nicht einer musste mit seinem Leben büßen und wird dies voraussichtlich auch in naher Zukunft nicht. Denn die Aussage des "Pentito"-Reuigen de Maio - dass unter Mafiosi die Anweisung gilt, um alle der Bewegung angehörigen Unternehmer einen großen Bogen zu machen, wird offenbar streng eingehalten.

    Beim sensiblen Thema Mafia hätte ich mir hier vom Autoren eine etwas detailliertere Recherche gewünscht anstatt veraltetete Klischees. K.B.