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Kommentar Anschläge in NigeriaFrontstaat Nigeria

Dominic Johnson
Kommentar von Dominic Johnson

Daran muss die gesamte Welt interessiert sein: dass der Übergang zu mehr Demokratie im bevölkerungsreichsten Land Afrikas gelingt und Nigeria nicht in Gewalt untergeht.

D ie radikalen Islamisten in Nigeria wissen, wie man auf sich aufmerksam macht. Die Serie blutiger Anschläge auf christliche Kirchen zur Weihnachten macht auf dramatische Weise deutlich, wie hilflos Nigeria der Ausbreitung des islamistischen Terrors gegenübersteht.

Längst befinden sich Teile des Landes faktisch im Bürgerkriegszustand. Aber von den mehreren hundert Anschlägen, die Boko Haram bereits in Nigeria verübt hat, werden die allermeisten jenseits der Landesgrenzen nicht wahrgenommen.

Hoffentlich ebbt das internationale Entsetzen darüber jetzt nicht wieder ab. Islamistischer Terror ist seinem Wesen nach keine innenpolitische Angelegenheit des jeweils betroffenen Landes. Die Frontlinie zwischen gewaltbereiten Christen und Muslimen verläuft quer durch Afrika - und quer durch Nigeria.

Bild: taz
DOMINIC JOHNSON

ist Afrika-Redakteur im Auslandsressort der taz.

Seit dem Sturz des Gaddafi-Regimes in Libyen und der Öffnung der libyschen Waffenarsenale hat der radikale Islamismus in der Sahara-Sahel-Region neuen Auftrieb erhalten. Und insgesamt haben die politischen Umstürze in Nordafrika dieses Jahr eine Schockwelle in Gang gesetzt, deren Auswirkungen südlich der Sahara sich jetzt erst auf unterschiedliche, unvorhersehbare Weise bemerkbar machen.

Nigeria hat vor zwölf Jahren aus eigener Kraft eine der brutalsten Militärdiktaturen der Welt abgeschüttelt und begonnen, sich von Jahrzehnten einer Diebesherrschaft zu erholen. Den unfassbaren Ölreichtum des Landes endlich für die 160 Millionen Einwohner Nigerias nutzbar zu machen und damit verkrustete Machtstrukturen aufzubrechen, das bedeutet eine Kampfansage an etablierte Interessen, die sich auf ihre Weise rächen.

Dass der Übergang zu mehr Demokratie und einer gerechteren Wirtschaftsordnung im bevölkerungsreichsten Land Afrikas gelingt und nicht in Gewalt untergeht - daran muss die gesamte Welt interessiert sein.

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Dominic Johnson
Ressortleiter Ausland
Seit 2011 Co-Leiter des taz-Auslandsressorts und seit 1990 Afrikaredakteur der taz.
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7 Kommentare

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  • A
    antiantiantianti

    Das sind ja mal ganz andere Töne Herr Johnson, Glückwunsch zu ihrer Analyse mit Fakten. Sie haben nur vergessen zu erwähnen dass die meisten Muslime in Nigeria tatsächlich Migranten aus dem Norden sind.

  • I
    isomatte

    "Dass der Übergang zu mehr Demokratie und einer gerechteren Wirtschaftsordnung im bevölkerungsreichsten Land Afrikas gelingt und nicht in Gewalt untergeht - daran muss die gesamte Welt interessiert sein."

     

    War "die gesamte Welt jemals daran interessiert, was in Nigeria geschieht? Wenn Ölmultis dort Geld scheffeln, ohne die minimalsten Umweltschutzbestimmungen zu beachten? Wenn den Menschen die Lebensgrundlagen entzogen wurden im Interesse der Ölförderung? Hat es jemanden interessiert, wie arm die Masse der Menschen, wie hoch die Kriminalitätsrate und wie brutal der Alltag ist in diesem an Öl reichen Land?

     

    Es ist wohl nicht verwunderlich, wenn sich Jugendliche ohne Zukunft einer Organisation wie Boko Haram anschließen. Wer keine Perpektive hat, für den ist der blinde Hass wenigstens ein Ventil.

     

    Und der gewaltsame Sturz Ghaddafis wird sich hier sicherlich auch noch bemerkbar machen.

  • M
    Marvin

    Es geht, selbstverständlich, auch hier wieder nicht um unüberbrückbare Differenzen zwischen zwei Religionen. Nicht um die höhere Gewalt- und Unrechtsbereitschaft der einen Religon der einen, oder die niedrigere der anderen Religion.

     

    Die Formulierung Frontstaat finde ich daneben.

    Die Reise auf dem Weg zum Weltfrieden wird nicht mit strategisch-militärischem Vokabular durchgeführt werden können.

     

    Zur Frage "Was kann man tun & sollen wir nicht die Bundeswehr hinschicken?": Nein.

     

    Zur Frage "Was kann man dann tun?":

    Ja, ich fürchte, es geht am Ende in der Tat um die "Wo_man-in-the-Mirror-Regel", an die wir uns halten sollten: Uns an die Hände fassen & 'Imagine' singen, Alpha Blondy's Songs & Message verbreiten, Freundschafts-Zeltlager zwischen Norden & Süden veranstalten.

     

    Natürlich muss der Kolonialismus, der nicht geendet, sondern mit und nach den zahlreichen Unabhängigkeitserklärungen lediglich seine Fassade neu angestrichen hat, ein Ende finden.

    Dazu braucht es zunächst das Bewusstsein, dass 2011 "der Norden", d.h. De-facto-Kolonialherren entscheiden durften, wer in Afrika regiert. Gaddafi wurde letztlich von der NATO besiegt. Gbagbo von der französischen Armee gefangen genommen. Das ist bittere Realität!

  • D
    duc

    an tommy:

    ja klar: "islamistenhatz" (wie sie es nennen):

    was denn sonst?

     

    so ähnlich wie einst in serbien/kosovo - sie erinnern sich?.

    das hat doch prima geholfen - oder?

  • H
    Hasso

    Die kapitalistische Dekadenz ist schuld. Die Völker brauchen nicht mehr Demokratie,sondern mehr zu Fressen.|>Erst kommt das Fressen, dann die Moral

  • T
    tommy

    Ja und was soll uns das nun sagen? Was soll man denn bitte konkret tun? Die Bundeswehr auf Islamistenhatz schicken? Geld schicken? Beten?

  • S
    samuel

    ich verstehe nicht warum die welt politik da wegschaut wenn christen getötet werden es hilft den menschen nicht wenn man nur bedauern aussprechen die müssen auch handeln können aber anscheinend haben die zu viel angst.Sinnlose kriege werden angefangen wegen geld usw aber wenn es um menschen geht die nur ihr glauben leben und sterben müssen da schaut die welt politik weg