Kommentar Angriff auf britische Botschaft: Der Sturm der Verlierer
Die Basidschis sehen sich als Verlierer im innenpolitischen Ränkespiel des Iran. Ihr Angriff auf die britische Botschaft ist nun zur veritablen Staatskrise geworden.
W ie sich die Bilder gleichen: Vor 33 Jahren stürmten aufgebrachte islamische Studenten die amerikanische Botschaft und nahmen die Botschaftsangehörigen als Geiseln. Am Dienstag stürmten aufgebrachte "Studenten" die Botschaft des Vereinigten Königreichs. Damit sind die Parallelen aber auch schon zu Ende, denn zu einer Geiselnahme wird es aller Wahrscheinlichkeit nach - hoffentlich - nicht kommen.
Bei den jetzigen Botschaftsbesetzern handelt es sich keineswegs um eine Spontitruppe von der Uni Teheran. Vielmehr sind es Basidschis, also organisierte und indoktrinierte Gruppen. Die "Unabhängige Islamische Studentenorganisation", in deren Namen sie angeblich agieren, ist weitgehend unbekannt. Und dennoch erheben sie den Anspruch, für das ganze iranische Volk zu sprechen.
Das führt zu ungewollt klaren Einsichten in den ideologischen Bankrott des politischen Islam: denn in ihrer bislang einzigen Erklärung begründen die Besetzer, ihre Handlung sei "im nationalen Interesse". Also nicht mehr im Namen der islamischen Weltrevolution?
WALTER POSCH ist wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
Ausgeschlossen vom eigentlichen Machtapparat, versuchen die Basidschis mit solchen Aktionen ihren Platz im Regime zu behaupten und werden dabei von Teilen der Revolutionsgarden unterstützt. Besonnene Kräfte unter ihnen, wie der Stadtkommandant von Teheran, General Ahmadi-Moqaddam, sind um Deeskalation bemüht. Doch auch er hat in den Jahren seit 2009 nichts Ernsthaftes gegen diese Gruppen unternommen.
Mittlerweile ist es vielleicht ohnehin zu spät, da Großbritannien alle iranischen Diplomaten aufgefordert hat binnen 48 Stunden das Land zu verlassen. Der Sturm der Basidschis, die sich letztlich als Verlierer im innenpolitischen Ränkespiel sehen, ist nun zur veritablen Staatskrise geworden.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Grünen-Abgeordneter über seinen Rückzug
„Jede Lockerheit ist verloren, und das ist ein Problem“
Hoffnung und Klimakrise
Was wir meinen, wenn wir Hoffnung sagen
Die Wahrheit
Glückliches Jahr
Nach dem Anschlag in Magdeburg
Das Weihnachten danach
Spiegel-Kolumnist über Zukunft
„Wir unterschätzen den Menschen und seine Möglichkeiten“
Sport und Krieg in der Ukraine
Helden am Ball