Kommentar Alternative Energien: Ökologisch, aber unsozial
Nicht nur beim Windenergie-Erzeuger Enercon wird um Betriebsräte gestritten. Die Branche kämpft mit einem Image-Problem – weil sie nicht nachhaltig denkt.

W arum nur haben die Deutschen ein libidinöses Verhältnis zu Autos, nicht aber zu Solaranlagen und Windrädern? Warum lässt der Untergang der Solarfirmen in Ostdeutschland die Bevölkerung kalt, warum verhallt der „Cuxhavener Appell“ norddeutscher Landesminister zur Rettung der Offshore-Industrie?
Auf der Suche nach Antworten hilft ein Blick zum größten deutschen Windkraftanlagenhersteller Enercon. Die IG Metall setzt dort nach jahrelangen erbitterten Kämpfen immer mehr Betriebsräte durch. Und Enercon ist kein Einzelfall.
Streitigkeiten um Betriebsräte gab es auch schon in der Solarindustrie. Die meist westdeutschen Firmen bauten ihre Produktionsstätten in den ostdeutschen Ländern, wo die Subventionen flossen und die Löhne niedrig waren. Ökologisch, aber unsozial – dieses schlechte Image schien vielen Unternehmen egal zu sein.
Bis heute gibt es in den großen Solar- und Windfirmen kein Pendant zum Unternehmer Wolfgang Grupp, der als solider Patriarch der Textilfirma Trigema öffentlich für den Standort Deutschland wirbt – nur einen Schlossherrn wie Solarworld-Gründer Frank Asbeck. Die Erneuerbaren-Branche, die so gern mit Nachhaltigkeit wirbt, pflegt selbst lieber das kurzfristige Denken. Dass etwa mit der Forderung nach Tempo 130 in Deutschland kein Blumentopf zu gewinnen ist, liegt aber nicht nur am Hang zu röhrenden Motoren, sondern auch an einer jahrelang gepflegten „Modell Deutschland“-Firmenkultur in der Automobilbranche.
VW hat mithin ein positives Image. Enercon und Solarworld haben es nicht. Auch deshalb geht die Debatte über die Energiewende endlos weiter.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Nach Taten in München und Aschaffenburg
Sicherheit, aber menschlich
Streit um tote Geiseln in Israel
Alle haben versagt
Soziologische Wahlforschung
Wie schwarz werden die grünen Milieus?
Comeback der Linkspartei
„Bist du Jan van Aken?“
Krieg in der Ukraine
Keine Angst vor Trump und Putin
Polarisierung im Wahlkampf
„Gut“ und „böse“ sind frei erfunden