Kommentar Alleinerziehende: Kinder fördern. Nicht die Eltern.
Ganztagskitas und -schulen sind richtig und wichtig. Doch darauf haben nicht die Eltern, sondern zuerst ihre Kinder ein Anrecht. Denn hier darf es nicht zuerst um die Jobs der Eltern gehen.
K inder belasten das Leben. Sie verhindern oder erschweren zumindest, dass Single-Mama oder Singel-Papa Arbeit findet. So sieht es die SPD und will Alleinerziehenden garantieren, dass ihre Kinder den ganzen Tag in der Kita betreut werden. Folgt man der SPD-Logik gäbe es dann 600.000 Hartz-IV-EmpfängerInnen weniger. Das ist naiv, gefährlich und verkehrt herum gedacht.
Naiv ist die Vorstellung, dass etwa eine Verkäuferin, die ihren Sohn ganztags - also im Idealfall von 6 bis 18 Uhr - in der Kita abgibt, sich ganz der Arbeit widmen kann. Viele Geschäfte haben Stunden nachdem in der letzten Kita das Licht ausgeht noch geöffnet und am Samstag sowieso. Auch in den meisten anderen Branchen richten sich die Arbeitszeiten nicht nach der Kita-Öffnungszeit.
Gefährlich für alle Single-Eltern sind die Konsequenzen, die sich für sie ergäben. Wenn diese Plätze für alle Kinder mit SE-Status (Single-Eltern) denn tatsächlich existierten, dann würde der Druck auf die Eltern steigen, irgendeinen Job, egal zu welchen Bedingungen, anzunehmen. Wieso arbeitet der oder die denn nicht, wenn ihr Kind doch den ganzen Tag in der Kita ist? Dies wäre eine Frage, der sie sich stellen müssten.
Anna Lehmann, 34, ist Bildungsredakteurin im Inland-Ressort der taz.
Und grundsätzlich ist es verkehrt, einigen Kindern Ganztagsplätze zu reservieren, weil ihre Eltern zu irgendeiner Gruppe gehören. Derzeit werden Ganztagsplätze angesichts des knappen Angebots bevorzugt an Berufstätige und Migranten vergeben. Wieso nicht auch an Singles, fragt sich die SPD. Aber was passiert, wenn Mama noch einmal heiratet? Darf Justin dann nicht mehr bis vier bleiben, sondern wird wieder um zwei abgeholt?
Ganztagskitas und -schulen sind richtig und wichtig. Doch darauf haben nicht die Eltern, sondern zuerst ihre Kinder ein Anrecht. Also muss es für alle Kinder, deren Eltern das wollen, ausreichend Zeit und Plätze geben. Kitas und Schulen sind längst keine Kinderverwahranstalten mehr für beschäftigte Eltern. Hier sollen Kinder spielen, lernen und von Anfang an gefördert werden. In jeder Beziehung.
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