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Kommentar AidsstatistikKrank ist, wer zahlen kann

Kommentar von Harry Kunz

Der Kampf gegen Aids scheitert an der Logik der Gesundheitssysteme. Ausschlaggebend ist allein die Zahlungsfähigkeit des Patienten.

Die Zahlen sind ernüchternd: Noch immer kommen auf zwei Patienten, bei denen eine Aids-Behandlung aufgenommen wird, fünf Neuinfektionen. Was sind auch weltweit sieben Milliarden Euro zur Aids-Bekämpfung, wenn allein in den USA jährlich rund zwei Milliarden US-Dollar ausschließlich für Pharmawerbung investiert und in Deutschland längst jeder zehnte Euro für Gesundheit aufgewendet wird?

Während in Teilen der Welt weiterhin Menschen selbst bei schwersten Erkrankungen von jeder medizinischen Hilfe ausgeschlossen sind - wofür Aids nur ein Beispiel ist -, befindet sich hierzulande die Verwandlung ehedem normaler Lebensprozesse um Geburt, Kindheit, Alterung oder Sexualität zu Krankheiten in vollem Gange. Krankheiten ("Menopause des Mannes") werden erfunden, bloße Befindlichkeitsstörungen wie Blähungen zum "Reizdarmsyndrom" aufgebläht und alltägliche Verhaltensweisen wie Schüchternheit oder schlechte Stimmung zu behandlungsbedürftigem Leiden umdeklariert. Hat man ein Medikament entwickelt, muss eine passende Krankheit gefunden werden.

Krankenbehandlung ist keine Heilkunst mehr, sondern Kommerzprodukt eines der weltweit mächtigsten Industriesektoren. Ausschlaggebend ist nicht der tatsächliche Bedarf des Patienten, sondern seine Zahlungsfähigkeit. Dieser Logik folgend ist es gewinnbringender, in reichen Ländern die Losung zu verbreiten, dass es normal ist, krank und behandlungsbedürftig zu sein, als mittellose Aids-Kranke zu unterstützen.

Zugleich ist der Trend, Normales zu Behandlungsbedürftigem zu deklarieren, tief in den Zielen der Medizin verankert: Es geht nicht um die Abwesenheit von Krankheiten, sondern um vollkommenes körperliches, seelisches und soziales Wohlbefinden, wie es in der Gesundheitsdefinition der Weltgesundheitsorganisation heißt. Auch dieser überzogene Anspruch trägt dazu bei, dass die begrenzten Ressourcen an Hilfen nicht auf diejenigen konzentriert werden, die der Hilfe am dringlichsten bedürfen. HARRY KUNZ

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