Kommentar Ahmadinedschad: Moderate Töne
Die Rede des iranischen Präsidenten in New York macht klar: Eine diplomatische Lösung im Streit um das iranische Atomprogramm ist möglich.
I m Oktober 2005 forderte der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad in einer bis heute falsch zitierten Rede angeblich „die Tilgung Israels von der Landkarte". Seitdem spielte sich auf der UNO-Generalversammlung im September sechs Jahre lang das immer gleiche Ritual ab: Ahmadinedschad hielt eine schon vorab von allen Beobachtern erwartete Rede mit antiisraelischen und antisemitischen Tiraden und stellte mehr oder weniger deutlich den Holocaust in Frage.
Die Delegationen Israels, der USA und anderer westlicher Staaten verließen schon vor der Rede den Saal. Und der israelische Premierminister Benjamin Netanjahu nahm tags darauf in seiner Rede vor der Generalversammlung die Äußerungen Ahmadinedschads zum Beleg für atomare Bewaffungspläne Teherans und die Bedrohung Israels.
Wer auf eine weitere Eskalation bei der diesjährigen Generalversammlung setzte, gar auf das letzte diplomatische Vorspiel für eine militärische Auseinandersetzung zwischen Israel, Iran und den USA, wurde gestern enttäuscht. Die letzte UNO-Rede Ahmadinedschads, der nach zwei Amtszeiten im nächsten Jahr einem Nachfolger Platz machen muss, war im Vergleich zu den Vorjahren vergleichsweise moderat. Er beschränkte sich im Wesentlichen auf Kritik an israelischen Angriffsdrohungen auf Irans Atomanlagen.
ist taz-Korrespondent bei den Vereinten Nationen in Genf.
Eine Kritik, die angesichts der zahlreichen entsprechenden Äußerungen Netanjahus in den letzten Monaten von einer großen Mehrheit der 193 UNO-Mitglieder geteilt wird. Auch US-Präsident Barack Obama hatte in seiner Rede deutlich gemacht, dass er an einer weiteren Eskalation des Streits nicht interessiert ist. „Ein atomar bewaffneter Iran ist unakzeptabel“ – über diese schon zu Beginn seiner Amtszeit 2009 geprägte Formulierung ging Obama nicht hinaus.
Im Falle seiner Wiederwahl im November und nach dem Abgang der Reizfigur Ahmadinedschad im kommenden Jahr ist durchaus eine pragmatische Lösung des Streit um das iranische Atomprogramm möglich. Die Details für eine solche Lösung liegen schon längst auf dem Verhandlungstisch.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Urteil nach Tötung eines Geflüchteten
Gericht findet mal wieder keine Beweise für Rassismus
Hype um Boris Pistorius
Fragwürdige Beliebtheit
Debatte um SPD-Kanzlerkandidatur
Schwielowsee an der Copacabana
Russischer Angriff auf die Ukraine
Tausend Tage Krieg
Innereuropäische Datenverbindung
Sabotageverdacht bei Kabelbruch in der Ostsee
Papst äußert sich zu Gaza
Scharfe Worte aus Rom