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Kommentar AdelDie Feinheit, die wir meinen

Julia Niemann
Kommentar von Julia Niemann

Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg hat uns gemeinem Volk etwas voraus: einen Titel. Über den Adel als gesellschaftlichen Hoffnungsträger.

In die Wiege gelegter Glamourfaktor? K.T.F.v.u.z.G. samt Ehefrau. Bild: dpa

W enn Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vor den Kundus-Untersuchungsausschuss tritt, dann tut er das mit Haltung. Und zwar mit der sicheren Haltung eines Mannes, der nicht nur wegen seiner Blaublütigkeit schon adelsverpflichtet zur Vaterlandsliebe ist - getroffene Fehlentscheidung hin oder her. Sondern auch mit der sicheren Haltung eines Aristokraten, der weiß, dass ihm nichts und niemand wirklich etwas anhaben kann, denn er ist und bleibt, selbst wenn er über die Kundus-Affäre stolpert, der Baron, oder Reichsfreiherr zu Guttenberg, der zurück in den Schoß einer Familientradition sinken kann.

Das verleiht ihm die viel beschriebene Lässigkeit, diese via Geburt verliehene elitäre Eloquenz und Unabhängigkeit, wie sie anlässlich seines 90. Geburtstags auch dem früheren Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker (CDU) zugesprochen wird. Letzterer war und ist der beliebteste Bundespräsident der Deutschen und das CSU-Mitglied zu Guttenberg ist der derzeit beliebteste Politiker des Landes - das kann kein Zufall sein.

Die Sehnsucht nach der genetischen Überlegenheit des Adels macht sich an der Hoffnung bemerkbar, dass dieser sich nunmehr unterscheiden möge von der ehrgeizigen, dekadenten und unmoralischen Wirtschaftselite, von Polit- oder sonstiger Prominenz, die mehr oder weniger nur durch Zufall nichts tun muss, außer sie selbst zu sein -und das nicht mal besonders gut. Früher hätte eben diese Beschreibung dem Adel gegolten. Aber heute, in Zeiten der Desorientierung und Desillusionierung, wird ihm mittels der althergebrachten Erziehung Mut, Tapferkeit und Zurückhaltung zugesprochen, alte Werte, die eine Führungsfigur, wie man sie sich wünscht, ausmachen.

Julia Niemann

ist online-Redakteurin der taz.

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Wir blicken dankbar zu diesem begüterten Edelmann Guttenberg auf, der sich seinem Land und seinem Volk zuliebe, aus einem angeborenen Pflichtgefühl heraus an die Arbeit macht, die er gar nicht nötig hat - ohne Angst, sich Hände schmutzig zu machen. Und ohne Kompromisse. Diese beherzt zupackende Haltung dieses Adligen, für die er sich nun rechtfertigen muss und die so gar nichts mit der prolligen Pöbeligkeit eines Pinkelprinzen gemein hat, wird auch anlässlich des 200. Todestags der Königin Luise von Preußen abgefeiert: Als "Working Mom" wird sie auf einem Ausstellungsprospekt in Berlin bezeichnet und eine Veranstaltung heißt: "Vom Partygirl zur Supermama". Sie, Luise, eine von Hohenzollern - eine von uns? Aber nein. Weit gefehlt.

Wir können uns Anwesen im Umland anschaffen, Tanzschulen und Business Schools besuchen und noch so viel Geigen- und Klavierunterricht nehmen, Manierbestseller kaufen und unsere Kinder Heinrich, Friedrich, Constanze, Henriette oder Alexander nennen - Karl-Theodor zu Guttenberg ist der Adelstitel in die Wiege gelegt und damit das naturgegebene Vorrecht, zu führen, verliehen worden.

Wir schätzen zu Guttenberg ja eben weil er im Urlaub Platon im altgriechischen Original liest - und wir nicht. Junge Adlige gehen ohne sich zu schämen auf die Jagd und die Frauen bekommen mindestens vier Kinder und sehen danach immer noch und tagtäglich so aus als hätten sie keine. Das kann nicht jeder. Deshalb wird der Adel auch geschmäht - aber da steht er drüber. Das hat Glamour. Und die Sehnsucht nach Glamour, hey, die kennen wir doch.

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Julia Niemann
Leiterin taz.de
Jahrgang 1973. Hat nach einer Verlagsbuchhändlerausbildung und Stationen in Hamburg, München und New York Literaturwissenschaft, Publizistik und Kulturwissenschaften in Berlin studiert und bei der Netzeitung gearbeitet. Seit 2008 ist sie bei taz.de und hat 2013 die Leitung des Ressorts zusammen mit Frauke Böger übernommen. Sie schreibt über Medien-, Gesellschaft- und Kulturthemen. Im Mai 2012 erhielt sie den Emma-Journalistinnenpreis für ihre Reportage über die Berliner Macchiato-Mütter.

12 Kommentare

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  • A
    Aplomb

    ... kleiner Tip an die Redaktionspraktikantin:

     

    Der Adel wurde mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland abgeschafft. Entsprechende "Titel" sind bloß noch als Namenszusätze zu verstehen.

  • L
    lutzindasky

    Ein Adliger ist Kriegsminister in Deutschland. Die Verbindung von Militär und Adel finde ich außerordentlich bedenklich. Gerade wenn man die Rolle von Adligen in der politischen Entwicklung der dreißiger Jahre betrachtet. Und dieser redet mit filmreif-kerniger Trauerstimme vom Stolz seiner Tochter auf einen gefallenen Soldaten. Ich schätze diesen Menschen überhaupt nicht. Er ist ein Adliger, der versteht sich auf Popanz. Nichts weiter ist doch dieser geölte Blitz von einem glatten Aal. Er glänzt, aber er ist substanzlos. Das ist wie in Goldpapier eingeschlagene Hundescheiße.

  • N
    nat

    ...lustige Artikel! Wenn das ernsthaft geschrieben – ist das doof! Dann muss Autorin gut überlegen, wohin mit dem Pinkel-Prinz Ernst August von Hannover etc.? Wenn diese Text auf Ironie gebaut wurde, dass ist – leider! - nicht drüber gekommen: fehlen Leichtigkeit und Humor. Schwerverdaulich! Kurz gesagt, kein Fisch, kein Fleisch….

  • M
    Martin

    Greusslich ! Der anscheinend (und auch klischeebesetzte ;-))weibliche Hang zu Glamour, Groupieismus und Gala-Boulevard. Da wird dann auch so ne schnöselige Boulevard-Blase wie vuzG insgeheim angehimmelt bzw. im Mainstream mitgemästet, gell ?! Der Herr treibt das Land zwar immer mehr mit militärisch-jugendfrischem-inszeniertem Pathos in diesen unverantwortlichen, ausweglose Krieg und als Blaupause für womögl. folgende 'alternativlose'( und dass als ein Feldherr, der sich dann bürgernah-GALAnt in kugelsicherer und stylischer Weste zum tapferen Fussoldaten begibt und manchem damit leise, aber mit Haltung 'Adieu' für immer sagt. Ansonsten wahrheitswendisch wie ein Fisch im Wasser und skrupellos bei Bauernopfern, wenns denn dem eigenen Vorteil bzw. der faktischen Nichtverantwortlichkeit dient(für die er dann fürs Boulevard-Völkchen seine Verantwortung rausposaunt).

     

    Eigentlich ein moderner Kriegsheld auf Abruf ! Andererseits: Der zumindest jugendliche Maintream fährt auf solche gelackten, manikürten, oberflächlichen, aber sich attitüdenhaft hintersinnig gebenden DSDS-Blender grad gut ab (man beachte auch das enervierend lange Draufhalten der Linsen auf den Mimen bei der gestrigen Plenardebatte und den letzten fast hündischen Kommentar bei SPON). Es geht hier nicht um Inhalte oder verantwortungsvolles Tun ! Eher um Hofberichterstattung...

  • H
    H.Klöcker

    Ist das ein verspäteter Artikel zum 1. April?

  • RC
    Reiner Carpaccio

    Man hält solche Leute eben für integer. Das Gefühl hat durchaus einen realen Hintergrund. Ich habe in meinem 30-jährigen Berufsleben in einem Dax-Konzern einen klaren Zusammenhang zwischen Skrupellosigkeit und sozialem Aufstieg erkannt - das weiß auch die Literatur, siehe z.B. "Rot und Schwarz" von Stendhal. Integrität kann sich nur leisten,wer "von Hause aus" schon oben angelangt ist.

  • A
    Alekksis

    Oh la la.

     

    In unserem französischen Bruderland finde ich den "Glamour" der Personen die Elite spielen wirklich amüsant. Aber irgendwie schimmert in diesem Artikel

    die Sehnsucht nach einer elitären Führungsschicht durch....

    Nachtigall ick hör dir trapsen.

     

    Vive La Republique !!!!

     

    P.S. Man muß nicht unbedingt Plaron lesen.

    Epikur ist wesentlich angenehmer.

  • M
    Matthias

    Ist das jetzt eine Glosse oder Satire oder was genau?

  • JF
    Julia Freifrau v. Niemann

    Lese ich aus dem Beitrag Kritik,Neid, Anerkennung, Verzweiflung, Ironie oder einen Mix aus allem heraus?

    What´s te message, Julia? Ich glaube nicht, dass Guttenberg sich auf Grund des Namens und der Herkunft eine Freiheit anmaßt, zu sagen und zu tun, was ihm gerade so paßt. Abgesehen von seinem "Angemessen" - Schnellschuß macht er einen guten Job, gerade weil er - im Gegensatz zu vielen anderen Berufspolitikern - nicht an seinem Amt klebt und eine geradezu agressiv wirkende Unabhängigkeit und ein "Mit-sich-im-Reinen-sein" an den Tag legt, damit so manchen Politikerkollegen aus Feind- und Freundeslager zur Verzweiflung bringt. Dass er hierdurch und mit einem gewissen Glamourfaktor auch zum Helden (oder zum Opfer?) der Boulevardmedien wird, ärgert vielleicht viele grauen Mäuse in der Politik, kann ihm aber nicht angelastet werden. Leistet selbst etwas, liebe Oppositionelle, dann klappt es auch bei den Wahlen wieder besser!

  • IG
    Ivo Gustav

    Ich denke, es wäre gut, die Adelstitel abzuschaffen.

    Ursula Leyen und Theodor Guttenberg klängen für mich sympathischer. Dieser Adelshochmut ist unausstehlich.

  • FZ
    Freiherr zur Boulette

    Ja den Platon ließt er gerne unser Gutti, der war nämlich auch der Meinung, dass eine (wissenschaftliche) Elite die Geschicke des einfachen Volkes lenken möge. Der Klassiker gilt nach wie vor "Do as I say, don't do as I do!".

    Und erzählen sie wir seien Schuld an allem, inklusive globaler Erwärmung, Übervölkerung, Wirtschaftskrise (zumindest dürfen wir zahlen).

    Zum Krieg hingegen gibt es keine Alternative, das meinte auch schon jeder Despot/Diktator zuvor. Der Feine Unterschied sind eben der Anzug und die feine Kinderstube. Barone... Zöllner, Geldsäcke und Erpresser hat man die mal geschimpft wenn Sie Reisende oder "ihre" Untertanen geißelten.

    So lange das Foto in der Gala Anhänger genug findet, bleibt auch der schöne Schein erhalten.

    Pfürt Di!

  • JC
    Jeff Cox

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    Scheinadel.

    Adelstitel wurden 1918 abgeschafft und Bestandteil des Namens wie Meyer-Wölden oder Karsunke. In Österreich war man konsequenter und hat sie verboten. Die ehemals Adeligen leben davon, daß wir ihren Schein aufrecht erhalten ähnlich wie bei einem falschen Doktortitel.