Kommentar Abwrackprämie: Das süße Gift der Subvention
Die Abwrackprämie ist eine Erfolgsstory. Aber der Absturz ist sicher.
D ie Abwrackprämie ist eine Erfolgsstory - für viele Autobauer und ihre Zulieferer, für die Markenhändler und auch für die Banken. Sie sind die Profiteure dieser indirekten Subvention einer deutschen Schlüsselindustrie. Um in den Genuss der Fördermittel zu kommen, werden republikweit Sparschweine geschlachtet, Konten geplündert und Schulden angehäuft. Das süße Gift der Prämie verleitet manche Zeitgenossen sogar dazu, sich vorzeitig von ihren Lebensversicherungen zu trennen oder einen Kredithai zu kontaktieren.
Klaus-Peter Klingelschmitt (56) ist Korrespondent der taz für Hessen, Rheinland-Pfalz und das Saarland. Seine Schwerpunkte sind die Innenpolitik und Wirtschaft.
Opel verkaufte im 1. Quartal 2009 denn auch so viele Autos wie seit zehn Jahren nicht mehr. Die Halden sind leer - und die drohende Insolvenz (vorerst) abgewendet. Auf einen neuen Kleinwagen von Opel muss die Kundschaft bis zu einem halben Jahr warten. Der Ansturm auf die Abwrackprämie bremst selbst den Absturz der deutschen Premium-Hersteller: Porsche legt plötzlich zu, BMW stagniert - was in der Krise als Erfolg gewertet werden muss. Und Daimler steht trotz weiterem Absatzrückgang besser da als noch vor Monatsfrist befürchtet. Hoch lebe die Abwrackprämie!
Nieder mit der Abwrackprämie! Bei den Gebrauchtwagenhändlern stehen fast neue Autos der Baujahre 2002 bis 2007 unverkäuflich wie Blei auf dem Hof - vor allem Fahrzeuge der Oberklasse. Dagegen sind alte Autos unter 2.500 Euro kaum noch zu kriegen. Sie wurden auf den Schrottplätzen der Republik längst zusammengepresst. Beide Phänomene zusammen sorgen für Panikattacken bei den freien Händlern. Die Preise für Luxusschlitten erodieren, den Exporteuren von alten Benz- oder BMW-Schleudern, die in Westafrika noch 20 Jahre gelaufen wären, ist die Ware ausgegangen. Verlierer sind auch die Autowerkstätten und deren Zulieferer. Eine Generation reparaturanfälliger älterer Autos fehlt jetzt. Auch die Umsätze von Restaurants und Möbelhäusern gehen zurück, weil sich die potenzielle Kundschaft wegen der Neuwagenkäufe hoch verschuldet hat. Dazu kommt, dass die Preise für über 12 Monate alte Autos im nächsten Jahr in den Keller rauschen werden. Dort sitzen auch (wieder) die Autobauer, weil der Markt längst gesättigt ist. Kommt dann die Umweltprämie für die Verschrottung Jahreswagen?
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
++ Nachrichten zum Umsturz in Syrien ++
Baerbock warnt „Assads Folterknechte“
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
100 Jahre Verkehrsampeln
Wider das gängelnde Rot
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was