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Kommentar Abschiebung RomaHausgemachte Härte

Christian Jakob
Kommentar von Christian Jakob

Die grün-rote Stuttgarter Koalition versucht zu verschleiern, warum Roma kurz vor Wintereinbruch zurück ins Kosovo müssen: Weil sie es so will.

W enn es ihnen in den Kram passt, präsentieren sich Innenminister gern, als seien sie nichts anderes als bessere Verwaltungsbeamte – weisungsgebunden und ohne politische Kompetenz. Die Verantwortung für Maßnahmen, die beim Koalitionspartner, bei Menschenrechtsgruppen oder anderen unpopulär sind, kann so ganz elegant ausgelagert werden: an den Bund, an die EU oder sonst wohin.

So versucht die grün-rote Stuttgarter Koalition zu verschleiern, warum Roma jetzt – kurz vor Wintereinbruch – zurück in das Kosovo mussten: Weil sie es so will.

Denn tatsächlich gibt es in Sachen Ausländerpolitik über den Landesregierungen kaum etwas. Natürlich sind sie an Bundesrecht gebunden und natürlich muss ein längerer, offizieller Abschiebestop vom Bund genehmigt werden. Trotzdem ist in Deutschland noch kein Ausländer von Bundespolizisten in ein Flugzeug geschleift worden, wenn der jeweilige Landesinnenminister dies nicht wirklich wollte.

Bild: privat
Christian Jakob

ist Redakteur im Ressort taz1 und beschäftigt sich schwerpunktmäßig mit Flüchtlingspolitik.

Denn den Ländern steht ein ganzes Instrumentarium offen, um Abschiebungen zu beeinflussen. Wenn es plötzlich politisch opportun erschien, haben Innenminister schon Abgeschobene wieder zurückgeholt, obwohl sie noch einen Tag zuvor behaupteten, ihnen seien in der Angelegenheit die Hände gebunden.

Die Möglichkeiten, per Verfügungen, durch Erlasse oder informelle Anweisungen auf Ausländerbehörden und Polizei einzuwirken, sind auch im Ausländerrecht groß. In die andere Richtung – um den Druck bei Abschiebungen zu erhöhen – nutzen Innenbehörden dies weidlich aus.

Deshalb kann das einzige Grünen-geführte Bundesland sich im Fall der Roma-Abschiebungen nicht hinter Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich verstecken, auf den die grüne Parteispitze beim Thema Menschenrechte so gern mit den Finger zeigt: Die Hartherzigkeit der baden-württembergischen Abschiebepolitik ist hausgemacht.

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Christian Jakob
Reportage & Recherche
Seit 2006 bei der taz, zuerst bei der taz Nord in Bremen, seit 2014 im Ressort Reportage und Recherche. Im Ch. Links Verlag erschien von ihm im September 2023 "Endzeit. Die neue Angst vor dem Untergang und der Kampf um unsere Zukunft". 2022 und 2019 gab er den Atlas der Migration der Rosa-Luxemburg-Stiftung mit heraus. Zuvor schrieb er "Die Bleibenden", eine Geschichte der Flüchtlingsbewegung, "Diktatoren als Türsteher" (mit Simone Schlindwein) und "Angriff auf Europa" (mit M. Gürgen, P. Hecht. S. am Orde und N. Horaczek); alle erschienen im Ch. Links Verlag. Seit 2018 ist er Autor des Atlas der Zivilgesellschaft von Brot für die Welt. 2020/'21 war er als Stipendiat am Max Planck Institut für Völkerrecht in Heidelberg. Auf Bluesky: chrjkb.bsky.social
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14 Kommentare

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  • F
    Flauschfrosch

    Ich schreibe aus Österreich, habe Bekannte und Freunde aus Kosovo, auch Roma. Ich arbeite als Lehrerin DaF/DaZ und habe 7 Jahre im nichtdeutschsprachigen Ausland verbracht.

    Roma und Sinti, wenn sie in Deutschland, Österreich,Schweiz, Frankreich .... einwanderten, sollten Bildung bekommen, auf adäquater persönlicher Ebene. Ich habe sie als freundlichen, hilfsbereiten Menschenschlag kennengelernt.

    Auch bei uns gibt es Menschen, die unterschiedlich zu meinem eigenen Geschmack, meiner eigenen Lebenseinstellung, meiner eigenen Meinung handeln und doch kann ich sie nicht in einen Flieger stecken, und sie mich Gott sei Dank auch nicht. Bitte setzen Sie sich für Vielfalt (Verbleib und Bildung) ein, die immer unsere Länder auch ausgezeichnet hat und nicht in der Krise für Frontex. Das scheint mir keine Lösung. Liebe Grüße aus Österreich

  • D
    dadasoph

    Hier in Freiburg leben gut 400 Roma, die direkt von Abschiebungen betroffen sind. Die meisten Kinder leben die längste Zeit ihres Lebens in Deutschland oder sind sogar hier geboren. All diese Menschen haben hier Freunde und Freundinnen, gehen in die Schule oder sind als Erwachsenen eben meist verdammt nicht arbeiten zu dürfen.

    Nun werden aus meiner Stadt diese BewohnerInnen früh morgens aus den Betten gezerrt und in krasses Elend weggebracht. Diese Abschiebung versetzt nun alle von Abschiebung Bedrohten in pure Angst, Nacht für Nacht. Das finde ich empörend, beschämend und bar jeder Spur von Menschlichkeit.

    Bleiberecht für alle Roma, die bleiben wollen!

     

    Einige Kommentatoren hier haben einen Taschenrechner statt eines Herzen. Rassismus bleibt Rassismus, auch wenn einige es gerne wegdiskutieren möchten. Shame on you!

  • D
    Dennis

    "Die Hartherzigkeit der baden-württembergischen Abschiebepolitik ist hausgemacht" - ein peinlicher Beitrag bar jeder Realität. Richtig abstoßend, wie für wie dumm die taz ihre Leser verkaufen will.

  • S
    sternbegucker

    Ich lebe in Mecklenburg-Vorpommern und bin sehr unglücklich über diese Entscheidung.

  • MD
    Michael Dieter

    Ich finde die Kommentare hier extrem Menschenverachtend. Die Sinti und Roma sind nirgends willkommen ! Das ist das große Problem. Frage : Sind wir Menschen oder ..... !? Wir hätten Finanziell sicher kein Problem diese Menschen hier zu behalten !Wir hätten an so vielen Stellen kein Problem etwas gegen das Elend zu tun . Aber alle Entscheidungsträger wollen immer nur die Wirtschaft und die Reichen schützen. Erst wenn endlich mehr Menschen das perifide System hier durchschauen, erst wenn die Menschen endlich verstehen, daß es allen besser gehen kann, wenn wir uns zusammentun und nicht immer diese Egoismusschiene fahren ( Die ist gewollt, weil alleine stehende Menschen leicht zu kontrollieren sind), wird sich auf der Welt etwas verändern, daß die Politik wieder für ihre Auftraggeber handelt, weil sie nicht mehr anders kann !! Bisher handelt sie nur für sich und die Elite !!!

  • A
    Auswanderin

    - und ich dachte, dass sowas nur in Dänemark passiert

  • K
    karakoram

    Ton und Inhalt der Kommentarspalten der taz wird immer menschenverachtender, konformistischer und spießbürgerlich-besitzstandswahrend-phantasieloser. Vor nicht allzu langer Zeit musste man noch Neue-Welt-Propagandablätter wie Die Welt oder gleich Bild lesen, um Argumente für Menschlichkeit mit dem Begriff "Sozialromantik" belegt zu sehen. Das lässt einen nicht gerade hoffungsvoll in die Zukunft blicken...

  • I
    Irene

    Ja, wie jetzt Grüne?

     

    "Wir haben eine klare Aussage getroffen. Wir wollen rot-grün", sagte Trittin am Sonntagabend in der ARD-Sendung "Bericht aus Berlin".

     

    Er könne sich keine Zusammenarbeit mit der CSU in der Flüchtlingsfrage vorstellen, weil diese gegen Roma "hetze"".

     

    Aber abschieben ist OK?

  • K
    Kalle

    Ich lebe in Baden-Württemberg und bin sehr froh über diese Entscheidung.

  • A
    ama.dablam

    Das ist das Charmante an der aktuellen rot-grünen Regierung: sie hält sich an das geltende Recht und setzt es zum Wohle aller um.

     

    Gruß aus Stuttgart

  • A
    Arne

    Man muss schon sehr uninformiert sein oder einfach vergesslich, wenn man sich darüber wundert.

    Schon 1992 nannte Cohn-Bendit Sintis und Romas "asozial" und sprach von ihnen als "eine Last und Zumutung". Jahre später führte Fischer mit großer Zustimmung der grünen Bundesfraktion die Bundesrepublik in einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen Jugoslawien, um im Kosovo die Kräfte zu unterstützen, die die dortigen Romas unterdrücken.

     

    Wer soll sich da bitte noch wundern, wenn aufgrund solcher rassistischen Vorurteile dann auch die entsprechende Politik der Grünen folgt?

  • N
    Neumi

    Herr Jakob es steht Ihnen frei diese Armutsflüchtlinge mit Ihrem privaten Geld über den Winter zu bringen!Dem Steuerzahler ist es nicht zuzumuten!Im Winter ist es da kalt und im Sommer zu heiß oder was?Die EU muß endlich etwas für die Roma in Ihren Heimatländern unternehmen!Es kann nicht sein,daß Deutschland,Schweden und andere die abgelehnten Asylbewerber über den Winter alimentieren sollen!Dann kommen Sie jeden Winter oder wie stellen Sie sich das vor?Und was ist mit denen die nicht herkommen können, helfen Sie denen?Die Kommunen sind Pleite!!!Aber wie gesagt gründen Sie eine private

    Unterstützungsinitiative für diese Menschen wenn Sie ein Problem mit der Kommune haben!Bei dieser Sozialromantick wird einem "übel".

  • W
    Weinberg

    Wir wäre es, wenn sich (der katholische Christ) Kretschmann u. Co. als Probanden für eine Abschiebung in den Kosovo zur Verfügung stellen würden - statt eines Winterurlaubs in den Alpen? Der Winter im Kosovo soll für den Geist anregend sein ...

     

    Learning by doing!

  • AR
    alter Rammler

    Aber Winter im Kosovo ist doch jedes Jahr...