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Kommentar AKW als "Kaltreserve"Strom sparen statt erzeugen

Bernward Janzing
Kommentar von Bernward Janzing

Statt einen Atommeiler in Reserve zu halten, kann man auch Großverbraucher unter Vertrag nehmen, die bereit sind, bei Strommangel kurzzeitig ihre Anlagen abzuschalten.

D ie Idee ist erschreckend fantasielos. Ein Atomkraftwerk soll als "Kaltreserve" bereitgehalten werden, um bei Strommangel einzuspringen. Ausgerechnet ein Atomkraftwerk. Ausgerechnet der träge Dinosaurier, der so unflexibel ist. Nun mag es ja sogar zutreffen, dass fossil befeuerte Kraftwerke an passenden Standorten nicht vorhanden sind. Aber eine moderne Energiewirtschaft sollte heute andere Konzepte kennen als nur den sturen Blick auf die verfügbaren Kraftwerksleistungen.

Denn billiger als eine Kraftwerksreserve ist manchmal das "Negawatt-Prinzip". Der amerikanische Physiker und Effizienzpapst Amory Lovins hat es vor Jahrzehnten schon beschrieben: Eine Volkswirtschaft, die eine Stromlücke durch Sparen schließt, kommt häufig billiger weg, als wenn sie zusätzlichen Strom erzeugt. Konkret: Statt einen Atommeiler in Reserve zu halten, kann man auch Großverbraucher unter Vertrag nehmen, die bereit sind, bei Strommangel kurzzeitig ihre Anlagen abzuschalten.

Aluminiumhütten zum Beispiel können bis zu vier Stunden ohne Strom auskommen, Kühlhäuser oft noch viel länger. Ein Großverbraucher, der auf Anforderung der Netzleitzentrale seinen Strombezug drosselt, würde auf diese Weise zum "Negawatt-Kraftwerk". Zahlreiche Großbetriebe könnten an diesem Regelmechanismus teilnehmen; vor allem thermische Prozesse sind geeignet, weil sie einerseits träge reagieren und andererseits oft viel Strom brauchen.

Bild: taz

BERNWARD JANZING ist freier Journalist in Freiburg.

Aus ökonomischer Sicht kann sogar ein gewisser Produktionsausfall in Kauf genommen werden - dann nämlich, wenn die Entschädigung billiger ist als der Stand-by-Betrieb eines Atomreaktors mitsamt seinen 400 Mitarbeitern. Doch an solche Konzepte wagt sich offenbar noch niemand heran. Man bleibt im Denken der alten Energiewirtschaft verhaftet.

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Bernward Janzing
Fachjournalist mit Schwerpunkt Energie und Umwelt seit 30 Jahren. Naturwissenschaftler - daher ein Freund sachlicher Analysen.
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9 Kommentare

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  • T
    thomek

    Was für ein schöner Artikel! Endlich lässt mal jemand die Realität aus dem Sack, nämlich die einfache Erkenntnis, dass die derzeitige Energiepolitik, zu der man ja wahrhaftig verschieden stehen kann,zwangsläufig zu Stromabschaltungen führen muss. Und dann will ich doch gerne Herrn Janzing sehen: er steigt in Kollmarsreute wie gewohnt in den Zug und mangels Wind und Sonne bleibt dieser erst mal 3h in Denzlingen stehen. Dann läuft Herr Janzing. Die Mitarbeiter von Sick in Waldkirch kommen zur Arbeit: sorry, mangels Strom nehmen wir unsere Produktion nur bei Wind und Sonne auf! Ha, wie schön ist denn das? Dass Firmen mit hohem Strombedarf zu möglichst günstigen Zeiten produzieren, ist ein uralter Hut. Aber wissen Sie eigentlich auch, dass Elektroöfen zur Stahlerzeugung im 4Schichtbetrieb arbeiten? Auf welche alternativen Zeiten wollen die denn ausweichen? Wenn die tatsächlich ausweichen, dann mit ihrer gesamten Produktion zB nach Polen, wo der Strom günstig und verlässlich angeboten wird. Ich bin dann doch sehr gespannt, wie Herr Janzig nach Polen zur Arbeit kommt, zusammen mit der gesamten Sick-Belegschaft. Schöne, neue Zukunft.

  • A
    antiantiantianti

    Sehr geehrter Herr Janzing,

    ich hoffe nicht, dass es noch politische Altlasten sind, die ihre Kenntnis der Lage verhindern.

     

    Was sie als "Denken der alten Energiewirtschaft" bezeichnen, war eine Auswirkung des Kalten Krieges. Denn im Falle eines Angriffs der Sowjets, sollte jedes Gebiet selbstständig in der Lage sein sich selbst mit Strom zu versorgen und Schäden durch Bombardements in anderen Regionen auszugleichen. Deshalb, und nur deshalb wurde in Deutschland immer deutlich mehr Strom produziert als benötigt. Die Anpassung der Industrie und Strommärkte daran ist eine Folgeerscheinung und nicht die Ursache.

    Die Erzeugung von Strom nur nach Bedarf hat immer zwangsläufig mit Stromausfällen in Bottle-Necks zu kämpfen. Und Stromausfall ist, anders als ein Stau auf der Autobahn, gleichzusetzen mit einem Totalausfall der nicht nur wirtschaftliche Konsequenzen hat.

  • AR
    Antonius R.

    Begriffliche Aufrüstung:

    Haben wir da was falsch gemacht, mit „Hoppenstedts Weihnachten mit AKW“

    So, Kinder, jetzt machen wir es uns gemütlich! Und jetzt wird aufgeräumt.

    Natürlich in der kompletten Fassung:

    http://www.youtube.com/watch?v=xo55jk0HFWA&NR=1

    Voll 8:26! Oder 24/365/Millenium!

     

    Und bitte nachlesen: Der letzte Kommentar bei youtube verschweigt nix:

    „Wir bauen uns ein Atomkraftwerk. Wenn wir was falsch gemacht haben, dann soll es jetzt PUFF machen. Mein Gott, es macht eben PUFF. Dann fallen alle Häuser um und alle Kühe. ----------- Es hat PUFF gemacht. Entzückend! War das Spiel "Made in Japan"? Loriot ist der Beste!“ (Eingetragen von IngWer1988)

    Ach – ich wollte vom Tage, von heut gewesenen Tage berichten.

    Und damit es alle begreifen: Das Weihnachts-AKW! Das sollten wir uns doch leisten können. Nicht nur als Begriff! Und bevor es zu spät ist, mit der Energiewende.

     

    Ein Weihnachts-AKW. Das muss sein!

  • EA
    Enzo Aduro

    Man kann ja gegen die AKWs sein -bin ich auch- aber mit der "Kaltreserve" ist nicht eine Reserve für schwankenden Stromverbrauch gemeint, sondern falls man beim Neubau feststellt das das doch nicht so klappt.

     

    Also wenn man zB in 4 Jahren feststellt das das Partou nicht klappt dann fährt man ein AKW wieder hoch.

     

    Zumindest wenn ich das richtig verstanden hab.

     

    Denn natürlich kann ein Kraftwerk das ca. 1-2 Wochen braucht um hochgefahren zu werden nicht als "Reserve" bezüglich Windstillstand etc helfen. Andersrum wäre einfach über Wochen Industrieanlagen abzuklemmen auch keine Politik die man außerhalb von Notfällen planen sollte.

     

    Ist zwar nicht ganz die Stelle: Aber ich plädiere zur Braunkohle. In Kopenhagen hat die Welt gezeigt das sie einen Furz tun wird sich um reduktion oder wenigstens Managemant von CO2 Emissionen zu kümmern. Nur die "dumme" EU hat natürlich ein Cap&Trade System, pumpt Geld in die Welt für zweifelhafte Projekte welche Klimazertifikate abwerfen und bürdet seiner Industrie Kosten auf.

  • H
    hann0s

    Nega-Watt lässt sich schlecht verkaufen, wer hätte bei dem Namen was anderes erwartet?

  • M
    Martin

    Respekt - ich habe der taz ja wirklich lange genug die Treue gehalten und mich auch durch das rapide Absinken des Niveaus der Artikel nicht vom Kauf abhalten lassen. Aber dieser Artikel zum Thema "Energie" ist selbst in der sehr schlichten taz nun ein Höhepunkt an Schlichtheit, Dummheit und peinlichem Gutmenschen-Populismus. Welcher Großverbraucher würde denn, zusätzlich zu den ohnehin riesigen Lasten, die aufgrund des weltweit einzigartigen, überhasteten Atomausstiegs auf ihn zukommen, auch noch freiwillig auf den Strombezug verzichten? Das ist ja eine so realitätsferne Träumerei, ich weiß echt nicht, in welchen Luftschlössern dieser Autor lebt. Das ist auch ganz sicher nicht links, das ist peinlich, dumm und weltfremd - und einfach nur ahnungslos.

     

    Das war es dann taz - es war lange Jahre schön mit Dir! Aber leider hast Du Dich ganz ganz schlecht entwickelt!

     

    Dein Martin

  • GS
    Gregor Suermann

    Der Kommentar mag gut gemeint sein, ich mag aber inhaltlich nur bedingt folgen:

    Kann man ernsthaft glauben, dass Kühlhäuser nach stundenlangem Stromausfall nicht wieder mehr (ggf. noch mehr als gespart) Strom benötigen, denn Sie müssen ja auf das Ursprungs-Kühl-Niveau gebracht werden...

    Thermische Prozesse sollen weniger Energie verbrauchen, wenn die Temperaturkurve durch Energie-Ausfall zeitweise stark schwankt? Wie soll das zentral regelbar sein? Viele Prozesse sind auf dieser Ebene durchaus präzise verlaufend (und oft auch effizient, denn gerade hier ist sind Energiekosten ein wichtiger Kalkulationsposten, da dürfte weniger verschwendet werden, als in manchem Oköhaus in Freiburg), es gibt also nicht Spielraum für ein paar Grad weniger warm oder so...!

  • K
    Kerstin

    Super Idee! Bitte sofort an die Bundesregierung und alle Entscheidungsträger weiterleiten!

  • I
    Ilmtalkelly

    Wunderbarer Artikel

    Das mit dem Sparen will sonst keiner hören. Das ist die Umkehr des Bringschuld-Prinzipes, nur werden die Alu- und Stahlhütten gleich Wettbewerbsnachteile und Ausgleichforderungen anführen, auch wenn sie energetisch puffern können. Sollte man auch für uns mal gegenrechnen.