Kommentar AKW Biblis: Parteitaktik statt Aufklärung
Die Umstände der Stilllegung des AKW in Biblis sind mehr als fragwürdig. Das Stillhalteabkommen von Schwarz-Grün in Hessen ist ein Skandal.
E s sind dramatische Vorwürfe, die im Raum stehen. Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier und der damalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla haben, so legen es Briefe nahe, dem Energiekonzern RWE im Jahr 2011 eine wichtige Grundlage für seine Schadenersatzklagen wegen der Stilllegung des Atomkraftwerks Biblis geliefert. Ein solcher Deal zwischen Politik und Wirtschaft zulasten des Steuerzahlers wäre ein Skandal, der seinesgleichen sucht.
Angesichts dieser Dimension fällt die politische Reaktion erbärmlich aus. Die hessischen Grünen erklären den Vorgang für „irrelevant“ und vermeiden jeden Vorwurf gegen Volker Bouffier – schließlich sind sie sein Juniorpartner in der schwarz-grünen Landesregierung. Und auch auf Bundesebene nutzen die Grünen den Skandal bei ihrem Kernthema nicht, sondern halten sich mit Rücksicht auf die hessische Koalition auffällig zurück.
Statt nach Hessen wollen die Grünen den Blick lieber nach Berlin richten. Das ist zwar sinnvoll, auch weil rund um die AKW-Stilllegung offenbar viele Fäden vom Kanzleramt aus gezogen wurden. Ein Ersatz für die Aufklärung in Hessen ist das aber nicht.
Die SPD wiederum drängt zwar in Hessen, wo sie in der Opposition sitzt, auf Aufklärung. Im Bund scheint ihr Interesse an einem Untersuchungsausschuss, der sich gegen den dortigen Koalitionspartner richtet oder finanzielle Folgen für den Bund haben könnte, hingegen gering zu sein.
Ein solches parteitaktisches Vorgehen ist absolut inakzeptabel. Es wäre skandalös, wenn die im Raum stehenden Vorwürfe gegen die Union aus Gründen der Koalitionsräson bei SPD und Grünen unaufgeklärt blieben. Das bei vielen Menschen ohnehin angeknackste Vertrauen in die Politik würde schweren Schaden nehmen.
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