Kommentar 10 Jahre CDU-Chefin Merkel: Ein Mädchen, na und?
Innerhalb wie außerhalb der CDU werden Führungspositionen auch weiterhin überwiegend mit Männern besetzt. Daran haben zehn Jahre Merkel nichts geändert.
In diesen Jubiläumswochen nun also auch ein Zehnjähriges: Seit einer Dekade steht eine Frau an der Spitze der CDU, seit fünf Jahren ist sie Regierungschefin. International wird Angela Merkel gern immer wieder als "mächtigste Frau der Welt" ausgezeichnet. Müsste also heute nicht zumindest für die Hälfte aller Deutschen ein Jubeltag sein?
Nein. Denn die Wirklichkeit hat dem lila Jubel und der Hysterie der Traditionalisten des Anfangs schon lange das Fundament entzogen. Innerhalb wie außerhalb der CDU werden Führungspositionen auch weiterhin überwiegend mit Männern besetzt, Frauen verdienen noch immer schlechter und verlieren schneller ihren Job. Daran haben zehn Jahre Merkel nichts geändert.
Ines Pohl ist Chefredakteurin der taz.
Die weibliche Strahlkraft der konservativen Parteichefin ist so gering, dass sich noch nicht einmal die unmittelbare Konkurrenz genötigt sah, ihren Spitzenjob mit einer Frau zu besetzen. Merkel selbst tut alles, um ihr Geschlecht zum Verschwinden zu bringen. Nur einmal, in Oslo, zeigte sie ihre pralle Weiblichkeit der Öffentlichkeit. Wie bei allem anderen auch: Dem "Lernenden System Merkel" passiert ein Fehler nur einmal. Seitdem präsentiert sie sich im ewig gleich geschnittenen vierknöpfigen Panzer-Jackett, zugeknöpft bis oben hin. Produktenttäuschung kann man ihr dabei nicht vorwerfen. Denn Merkel hat sich immer dagegen gewehrt, ihren Erfolg mit ihrem Geschlecht in Verbindung zu bringen. Und der Frauenquote in ihrer Partei stimmte die, die sich am Anfang ihrer Karriere lange noch als Minister bezeichnete, nur auf Druck zu. Ein Mensch sei sie, der an dem gemessen werden wolle, was er tue. Gefragt, wie sehr ihr Frausein sie präge, antwortet sie gerne: "Ich weiß ja nicht, wie es ist, ein Mann zu sein."
Richtig ist, dass die Union unter ihrer Führung gerade in Sachen Familienpolitik deutlich liberaler geworden ist. Wer jedoch glaubt, das habe etwas mit Merkels Frauensolidarität zu tun, irrt. Sie hat die Familienpolitik reformiert, weil sie erkannte, dass das eine Notwendigkeit ist, damit die Partei anschlussfähig bleibt. Merkel war und ist so erfolgreich, weil sie all ihr Tun einer Frage unterordnet: Wie kriege ich die Mehrheit? Danach richtet sie ihre Politik aus, so gestaltet sie ihre Bündnisfähigkeit. Entsprechend könnte sie die erste Kanzlerin sein, die mit Rot, Gelb und Grün anbandelt. Mit weiblichem Rollenverständnis im emanzipativen Sinne hat das wenig zu tun.
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