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Kommentar 1. MaiDifferenziert statt diffus

Martin Kaul
Kommentar von Martin Kaul

Es wird noch gepöbelt, aber die Randale am 1. Mai hat im Vergleich zu den Vorjahren abgenommen. Das heißt nicht, dass es im autonomen Spektrum entspannter zugeht.

E in diffuser Raum von Pöbeleien. Das war der 1. Mai in den letzten Jahren immer mehr. Von Krawallkids war die Rede und von erlebnisorientierten Jugendlichen, die die Maiproteste im Hamburger Schanzenviertel und in Berlin-Kreuzberg als die alljährliche Stunde ihres undifferenzierten Frusts gefeiert haben. Dieses Szenario wandelt sich wieder.

Die Proteste zum 1. Mai in Hamburg und Berlin haben gezeigt: Das diffuse Gepöbel in den Abendstunden verlief - abgesehen von teils massiven Pfeffersprayeinsätzen der Berliner Polizei - relativ entspannt.

Die Nächte, die in den letzten Jahren fälschlicherweise immer wieder zum Gradmesser der politischen Auseinandersetzung stilisiert wurden, waren in diesem Jahr erneut fast ausnahmslos von einer Kultur der Schaulust geprägt. Da wird gepöbelt, aber kaum noch randaliert.

Doch eine neue klare Rollenteilung war am Wochenende kaum zu übersehen: Die harten Auseinandersetzungen fanden in Hamburg und Berlin entlang der Demorouten statt.

Bild: taz

MARTIN KAUL ist taz-Redakteur für Bewegung und Politik von Unten.

Und hier steht nicht mehr der Kapitalismus an sich und als solcher im Mittelpunkt der Parolen, sondern die sehr konkrete Politik in den Vierteln und Kiezen der Städte. Im radikalen Spektrum werden die Proteste rund um den 1. Mai wieder politischer, spezifischer.

Damit differenziert sich der Charakter der radikalen Maiproteste, die zuletzt nur noch als ein Spektakel ritualisierten Blödeltums wahrgenommen wurden, wieder aus.

Das bedeutet nicht, dass es im autonomen Spektrum nun zwangsläufig entspannter zugeht. Im Gegenteil: Die Folgen dieser Differenzierung zeigten sich am Sonntag etwa in Berlin, wo rund drei Dutzend Polizisten bei einer Demo in den Hinterhalt gerieten und minutenlang aus nächster Nähe heftigst attackiert wurden.

Dass der 1. Mai also auch künftig so relativ entspannt verläuft wie in diesem Jahr, ist damit nicht gesagt. Aber er hat ein politisches Profil zurückerhalten. Und es ist ein linksautonomes Profil.

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