ABSCHIED VON TREPTOW : Komm’ Se rin
Es war wahnsinnig kalt und fürs Fahrradfahren in Sibirien waren meine Handschuhe nicht wirklich geeignet. Erst wollten meine Finger wegfrieren, und als ich dann bei Karstadt war, taten sie furchtbar weh beim Auftauen. In der Abteilung für billige Kleidung gab es keine Handschuhe mehr und auch im Erdgeschoss waren sie fast ausverkauft. Jedes Jahr müssen wahnsinnig viele Leute ihre Handschuhe verlieren, anders ist das ja nicht zu erklären.
Die Wollhandschuhe lagen durcheinander. Die dünneren kosteten zwischen 6,99 und 9,99; die dickeren waren für 13,99 zu haben und fühlten sich gut an. Ich fand ein dickeres Paar mit einem Webfehler, die Verkäuferin machte es billiger. Die gemeinsame Kälte macht die Menschen freundlich. Demnächst würde ich sie nähen. Vielleicht würde ich es aber auch wieder vergessen. Ich bezahlte und ging zum Ausgang. Zwischen den Türen, standen viele Menschen, um sich aufzuwärmen. Solidarisch grinste ich den Motz-Verkäufer an – meine Wohnungssuche war ja nicht so erfolgreich gewesen.
Ein paar Tage später – zwischendrin war Weihnachten in Westdeutschland und eine lustige Busfahrt gewesen – war ich wieder bei Karstadt. Eigentlich nicht ganz richtig, denn an diesem Abend war das Kaufhaus nur die warme Passage zwischen U7 und der Bushaltestelle in der Sonnenallee. Ich war so sehr in Eile, dass ich fast vergaß, dass dieser Tag ein besonderer war – schon morgen würde ich meine Sachen in die Ladenwohnung einer Freundin bringen. Alles war schon organisiert.
Kaum hatte ich die Bushaltestelle erreicht, kam auch schon der Bus Richtung Marzahn. Ich stieg ein und fragte, wieviel die Fahrt kosten würde. Der Busfahrer sagte nur „Komm’ Se mal rin“ und winkte mich durch. Ich war völlig sprachlos und dankbar. Mein Abschied aus Treptow war schön gewesen. DETLEF KUHLBRODT