Kolumne: Ksyusha, wo bleibst du?

Wie ein gewisser Robert Soloway mich einmal um den besten Sex meines Lebens brachte.

Wären E-Mails nicht so körperlose kleine Digitaldinger, sondern klassische Postwurfsendungen, ich würde meinen Schreibtisch unter dem gigantischen Papierhaufen kaum mehr finden. So aber dauert es nur wenige Minuten, bis mein Computer ächzend die schätzungsweise 745 neuen Nachrichten hochgeladen hat, die übers freie Wochenende so eingelaufen sind. Huch, jetzt sinds schon 746!

Ich bin, wie diese Zahlen vielleicht schon haben erahnen lassen, ein gefragter Mann. Aus aller Welt erreichen mit täglich, ach was: sekündlich interessante Angebote, wichtige Hinweise und wertvolle Warnungen. Ich komme mir langsam vor wie ein Tycoon mit meinem weltweiten Netz engagierter Informanten. Goldminen im Kongo könnte ich kaufen, im Sechserpack gefälschte Uhren von Breitling aus der Schweiz und vielversprechende Aktien aufstrebender Softwarefirmen aus Singapur.

Leider kann ich mich wegen anderweitiger geschäftlicher Verpflichtungen auf die meisten dieser Angebote nicht einlassen, leite sie aber bei Interesse gerne weiter. Spannender sind ohnehin die privaten E-Mails. Ich mags einfach, wenns menschelt und sich fremde Leute auch mal für mich interessieren.

Offenbar hat sich herumgesprochen, dass mein Gemächt von geradezu lächerlicher Winzigkeit ist und nur in den allerseltensten Fällen funktioniert. Ich war schon kurz davor, meinen Kampf um größere Orgasmen und weitere Ejakulationen aufzugeben, als mich die rettende Nachricht erreichte: "Are you about to give up the fight for your bigger orgasm and greater ejaculation? STOP, theres a solution now: WonderCum!" Aber auch einem gewissen Merlin McKinnon war ich aufrichtig dankbar, als er mir einfach mal Viagra empfahl: "Hast du die Pille in der Blutbahn kannst du bumsen wie ein Truthahn!"

Reyna Beasley sah das ganz ähnlich, als sie mir das Viagra-Konkurrenzprodukt Cialis ans Herz legte: "Nimm die Pille, sei kein Dummer, sonst schaffst du nie ne gute Nummer!", am besten in Kombination mit dem Stimmungsaufheller Prozac. Und eine gewisse Reva Morgan stellte mir in reimfreier Sachlichkeit "500 % more sperm" in Aussicht. 500 Prozent! Feine Sache, zumal mir vorgestern erst Ironchka schrieb, dass sie mich demnächst mal besuchen will: "I am coming to your country in few weeks and thought may be we can meet each other. I am 25." Hm. Zwar kenne ich keine Ironchka, aber wenn sie wirklich so hübsch ist jedenfalls antwortete ich ihr sofort, Berlin sei immer eine Reise wert und sie dürfe gerne ihre Isomatte in meinem Wohnzimmer ausrollen. Keine Antwort, bisher. Weiber!

Umso mehr freute ich mich, mal wieder von meiner alten Freundin Ksyusha zu hören, von der ich schon so lange nichts mehr gehört habe, dass ich mich an ihren Namen partout nicht mehr erinnern kann, aber egal: "I am coming to your place in few weeks. Can we meet each other? I am a nice pretty girl."

Schon fragte ich mich bang, ob Ksyusha sich wohl mit Ironchka verstehen wird - und natürlich auch, ob ich bei Bedarf vielleicht beiden den Truthahn machen kann. Immer dieser Leistungsdruck! Und so war ich gerade mit amourösen Wartungsarbeiten an meinem Schwellkörper beschäftigt, als ich in der Zeitung folgende Meldung las: "Top-Spammer in den USA verhaftet: Robert Soloway, 27, muss mit 20 Jahren Gefängnis rechnen. Er gilt als einer von 135 Spammern, die für 80 Prozent des weltweiten Aufkommens von unerwünschten Werbemails verantwortlich sind." Mir fiel vor Schreck fast die Penispumpe aus der Hand. Merlin, Reyna, Reva, Ironchka - alle nur erfunden?

In den Achtzigerjahren druckten US-Zeitungen ein unvergessliches Anzeigenmotiv für Beruhigungspillen. Zu sehen war ein klassisches Familienidyll: Der Vater guckte zufrieden Fernsehen, die Mutter deckte gelassen den Tisch, der Sohn spielte still mit Modellautos und die Tochter brav mit Püppchen. Darunter stand: "Without Prozac you would kill them all".

Ich kann nur beten, dass mir Ksyusha ein paar dieser Pillen mitbringt.

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