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KolumnePlädoyer für den Unstadtklub

Arminia Bielefeld hat die höchsten Antipathiewerte der Bundesliga. Kein Grund, dem Verein untreu zu werden.

"Bielefeld, einst bezeichnet als die ,Mutter aller Unstädte', hat mit Arminia Bielefeld den ,Vater aller Unvereine'." So heulte die Journalistin Clara Boie vor gut zwei Monaten auf ZEIT-online - dem "Onkel aller Unlineausgaben", wie man die Netzausgabe der Hamburger Wochenschrift in diesem Zusammenhang vielleicht mal bezeichnen muss. Oder sollte man, schon des alliterierenden Effekts wegen, nicht sogar "Unke aller Unlineausgaben" sagen? Egal.

Bild: taz

Fritz Tietz ist 48 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport.

Zurück zur Zeit.de-Boie und ihrem Arminia-Bielefeld-Unsinn, den sie mit dieser Zwischenfrage fortsetzte: "Was hat Bielefeld schon für Erfolge zu verzeichnen?" Das war natürlich rhetorisch gemeint. "Keinen", schob die Autorin denn auch gleich nach, und heizte den Ostwestfalen dann erst richtig, nämlich so ein: "Ihre beste Bundesligaplatzierung ist 23 Jahre her und war ein lächerlicher 8. Platz. Den einzigen Titel, den sie halten können, ist der des ,Rekordaufsteigers'. Sieben Mal bereits stieg die sogenannte ,Fahrstuhlmannschaft' wieder auf", so wusste die Autorin halbwegs korrekt alles Grundwissenswerte über den Rekordaufsteiger aufzulisten, ehe sie dem Club schließlich das hier wünschte: "In dieser Saison wünsche ich mir den endgültigen Abstieg dieses Clubs. Sie sollen nicht wiederkehren, den Titel ,Rekordaufsteiger' können sie gerne behalten. Der DFB soll ihnen am besten ein One-Way-Ticket in die 2. Bundesliga schenken. Noch nie im Kampf um einen Uefa-Platz dabei, noch nie die Meisterschale ansatzweise in den Händen gehalten. Ein überflüssiger Verein, der es verdient hat, endlich aus den großen Stadien zu verschwinden."

Das war wohl nichts. Mit dem Verschwinden aus den großen Stadien hatte Arminia Bielefeld in der vergangenen Saison nichts zu tun. Stark abstiegsgefährdet zwar zwischendurch (wie aber eigentlich in jeder Saison), sicherte sich die Mannschaft gegen Ende und übrigens unmittelbar nach Erscheinen von Frau Boies Traktat den Klassenerhalt - und damit einmal mehr die, zugegeben, eher wunschgetränkte denn begründete Option, dass sie es in der kommenden Saison vielleicht doch einmal schafft: einen Uefa-Cup-Platz oder "ansatzweise die Meisterschale", wie die Boie das formulierte.

Dass der endgültige Klassenverbleib mit einem sagenhaften 3:2-Sieg über die bis dahin noch als Meisterschaftsaspiranten gehandelten Bremer gelang, scheint mir insofern bemerkenswert, als sich hier der Deutschen beliebtester Bundesligist den fast schon sicheren Titel ausgerechnet vom unbeliebtesten der Liga vermasseln ließ. Das nämlich wurde gerade per Umfrage ermittelt: Mit Abstand sympathischster Bundesligaverein ist Werder Bremen. Mit Abstand unsympathischster: Arminia Bielefeld. Da kann man mal sehen. Zum Beispiel: wie viel Schneid es hierzulande braucht für eine Bielefeld-Beschimpfung.

Nicht dass es mir als Arminia-Fan völlig schnuppe ist, wenn mein Verein in einer Sympathietabelle weit hinter Bayern (3.), HSV (4.), Dortmund (5.), Mainz (8.), Cottbus (15.) und sogar Wolfsburg (17.) lediglich auf dem 18. Platz landet. Andererseits sage ich mir: Was solls?

Man kann sich eben seinen Klub nicht aussuchen. Zudem waren dessen gefühlte Antipathiewerte schon immer so hoch, dass einen auch der jetzt statistisch erhobene Abneigungsindex nicht mehr recht umhauen kann. Wenn allerdings meinem Verein (und damit ja auch mir) die Existenzberechtigung abgeschrieben wird, lässt mich das längst nicht so abgeklärt reagieren. Erst recht nicht, wenn als die entscheidende Maßgabe für seine One-Way-Ticketierung die Erfolge angeführt werden, die sich zu kaufen dieser Club bislang nicht in der Lage war.

Auch bricht sich da doch exakt jene Haltung Bahn, wie sie von so gepuderten Mittelstandsfötzchen, das Frau Boie hoffentlich nicht ist, immer häufiger auch solchen Absteigern entgegengebracht wird, die man im echten Leben Hartz IV, Unterschicht oder Prekariat heißt. Chronisch Erfolglose auch sie und damit Überflüssige, die bitte von der Bildfläche zu verschwinden haben? Genauso hört sich Frau Boies Arminia-Zeug an.

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5 Kommentare

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  • B
    Bruce

    Fritz Tietz spricht wohl vielen Arminia-Fans aus der Seele. Ich finde den Artikel bockstark, besonder den letzten Absatz. Wenn die gute Clara einen solchen Blödsinn verzapft, dann muss sie nun auch das Echo vertragen können. Im übrigen verspricht sie auf ihrer Homepage, jede Email zu beantworten. Nun, ich warte bis heute vergeblich. Das spricht auch nicht gerade für Frau Boie.

  • WH
    Wolf-Dietich Hutter

    Ein klasse Beitrag. Fußball, Soziologie und Politik auf höchstem Niveau analysiert und verknüpft. Bliebe noch unter formalen und logischen Gesichtspunkten zu sagen, dass Arminia Bielfeld unverzichtbar für den Fußball insgesamt ist. Ebenso, wie es kein räumliches "Oben" ohne ein "Unten", oder kein zeitliches "Vor" ohne ein "Nach" gibt, um die Kantischen Antinomien der reinen Vernunft einmal auf ein auch für große Sport-Geister von zeit.de fassbares Maß zu transformieren, so gibt es keinen Fußball-Meister ohne Nicht-Meister, kein UEFA-Cup-Teilnehmer ohne Nicht-Teilnehmer. Jede Auszeichnung oder Qualfizierung benötigt welche, die diese nicht bekommen. Ohne Clubs wie Arminia würde man Rekordmeister-Bayern, Sympathiemeister-Bremen oder Herzensmeister-Schalke gar nicht bemerken. Sie würden sich schlicht nicht abheben und auffallen!

  • C
    Christian

    Ich möchte auf diesen gelungenen Artikel noch ergänzend hinzufügen: Allez Allez le bleu für die Saison 2007/2008. Der Anschlusstreffer zum 2:1 auf Schalke, am letzten Spieltag, war für uns Bielefelder eine gefühlte Meisterschaft-)

  • S
    Sascha

    Hihi, bravo. Über solch unoriginellen fussballlegasthenischen Firlefanz kann in der Tat gar nicht genug geschimpft werden. Wir erlauben uns höflichst, zu zitieren: http://www.blog05.de/2007/07/05/pladoyer-fur-den-unstadtklub-lesenswert-insbesondere-fur-gepuderte-mittelstandsfotzchen/

  • U
    Ultsaat

    Großer letzter Absatz