Kolumne: Die zwölfte Frau

Der "Uli Hoeneß" des Frauenfußballs spricht in Pudong über die Vermarktung des Frauenfußballs.

Wir haben es die ganze Zeit nicht gewusst, aber wir sind die "zwölfte Frau des deutschen Teams". Gestern hat es uns jemand gesagt, als wir im Restaurant der "Reichen und Schönen" (Marco-Polo-Reiseführer) M on the Bund saßen, zu Abend aßen und auf die am Huangpu-Fluss gelegene Skyline von Pudong schauten, die jemand von einer futuristischen Schülerzeichnung aus den Siebzigern abgekupfert haben muss. Bisher kannten wir nur den zwölften Mann. Er hat tausend Gesichter, sitzt in den Stadien von Gelsenkirchen, Cottbus oder Dortmund und feuert seine Mannschaft an. Siegfried "Siggi" Dietrich hat uns das mit der zwölften Frau verraten. Bei ihm können Männer Frauen sein. Wenn es um die Vermarktung des Frauenfußballs geht, darf man es nicht so genau nehmen.

Dietrich ist der bekannteste Manager im Frauenfußball, sozusagen der Uli Hoeneß der Szene. Seine "Ladys", wie er sagt, heißen Nia Künzer, Steffi Jones und natürlich Birgit Prinz. Dietrich ist auch der Manager des 1. FFC Frankfurt, des FC Bayern der Szene. An ihm kommt keiner vorbei, auch die deutschen Journalisten nicht, respektive die zwölfte Frau. Um die Nummer zwölf so richtig in Promotionslaune zu bringen, hat uns Dietrich in jenes feine Schanghaier Restaurant eingeladen. Das ist eine noble Geste, doch wir fragen uns: Verdient man an den Ladys wirklich so gut? Lassen die sich tatsächlich vermarkten, oder ist Siggi Dietrich doch eher ein Mäzen?

Über Zahlen will er nicht sprechen, dafür viel über die "einmalige Erfolgsgeschichte Frauenfußball". Früher war er im Eiskunstlauf zugange, mit Rudi Cerne und Katarina Witt, auch mit Boris Becker und Gabriela Sabatini will Dietrich zu tun gehabt haben, aber Mitte der Neunziger hat er dann alles auf den Frauenkick gesetzt, was eine sehr mutige Entscheidung gewesen ist, denn damals war das fast so verwegen, als wolle man Kanupolo oder Unterwasserrugby groß herausbringen. Im Spiel um die wichtigen Sportarten wurde Frauenfußball von einer großen Zentrifuge immer wieder an den Rand geschleudert. Dietrich aber stemmte sich gegen die Fliehkräfte. Es zahlte sich aus, wenn auch erst nach dem WM-Titel. "Die mich früher belächelt haben, die lachen heute - mit mir", sagt er.

Heute darf er 16 Journalisten bewirten, die vom Reisebüro des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zu einem unschlagbar günstigen Preis nach China expediert wurden und dort mehr oder weniger "embedded journalism" betreiben. Gern wird mit Siggi über "die Rotti" (Silke Rottenberg), "die Smisi" (Sandra Smisek) und "KG" (Kerstin Garefrekes) diskutiert. Das ist gut so, denn im Männerfußball ist es ja auch nicht anders. Im vergangenen Jahr wurde die Wade von Michael Ballack zum Objekt ausführlichster Berichterstattung, an diesem Muskel hing das Schicksal der Fußballnation. Warum also nicht über die aktuelle Muskelverhärtung im Oberschenkel von Sandra Minnert sprechen und die Auswirkungen auf das deutsche Defensivverhalten gegen England erörtern?

"Der Frauenfußball hat eine eigene Qualität, aber alles ist eine Frage der Akzeptanz und der Lobby", sagt Dietrich zur zwölften Frau. Noch gebe es viel zu tun. Die Vereine in der Bundesliga seien zu unprofessionell, die Klubs der Männer müssten sich öffnen, so wie Werder Bremen es gerade versucht. Siggi Dietrich träumt von "Events" und einer Profiliga, von neuen Künzers und Jones. Auch Theo Zwanziger träumt da ein bisschen mit. Der DFB-Chef hat recht kurzfristig die Delegationsleitung in China übernommen. An ihm ist gleichfalls kein Vorbeikommen. Der Präsident lädt im Hotel Hua Ting zum Kaffeekranz. "Die Sportlerinnen sind alles dufte Typen", sagt Theo Zwanziger. Die zwölfte Frau lauscht andächtig.

* Aus einem Nichts etwas erzeugen (altchinesisches Kriegsstrategem)

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