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KolumnePräzision rückwärts

Kolumne
von Frank Schäfer

Heavy-Metal-Bands mussten von Anfang an mit dem Vorwurf leben "Kennste eine, kennste alle". Lester Bangs räumte bereits 1976 mit dieser "weit verbreiteten Klischeevorstellung" auf.

H eavy-Metal-Bands mussten von Anfang an mit dem Vorwurf leben "Kennste eine, kennste alle". Lester Bangs, der Mentor aus den Kindertagen des Genres, räumte bereits 1976 entschieden auf mit dieser "weit verbreiteten Klischeevorstellung". Metal-Bands "klingen nur für das ungeübte Ohr gleich. Wahr ist, die Abhängigkeit von der Technologie begünstigt eine gewisse maschinenhaftige Uniformität (wenn nicht Präzision)."

Was er mit "Präzision" meint, erklärt dann seine Anekdote über die Metal-Stammväter Blue Cheer. "Blue Cheer waren wirklich ihrer Zeit voraus; ausgerechnet aus San Francisco kommend, war dieses Power-Trio derartig laut, dass sie ein Rezensent nach einem ihrer ersten Konzerte aus Mangel an Worten als ,Superdruiden-Rock' bezeichnete … Ein Freund von mir hatte einen Plattenspieler, der den Plattenteller in entgegengesetzter Richtung drehen konnte; als wir das erste Album von Blue Cheer, ,Vincebus Eruptum', rückwärts spielten, hörte man keinen Unterschied zu vorwärts." Das nenne ich wahre Präzision!

Es klingt ein bisschen wie gut ausgedacht, muss aber nicht sein. Mit dieser einen famosen, ihrer Zeit um Jahrzehnte vorauseilenden Prog-Metal-Band Salems Law, der als Gitarrist anzugehören ich die große Ehre hatte, habe ich durchaus Vergleichbares erlebt. Wir ließen obligatorisch bei jeder Übungs-Session ein Band mitlaufen, wie man das so macht, wenn man die Musik so ernst nimmt wie nichts sonst auf der Welt, viel zu ernst also.

Als Aufnahmegerät kam jedoch keins dieser semiprofessionellen Homestudio-Geräte zum Einsatz, die es auch Mitte der Achtziger schon gab, wenn auch noch analog, nein, wir besaßen einen morbiden, in hunderten Freibad-Einsätzen aufs Schäbigste runtergerockten Ghettoblaster. Er funktionierte noch, und das ist auch schon das Beste, was man von ihm sagen konnte. Und er hatte zwei eingebaute Mikros ab Werk, die unsere Musik im Versuchsstadium aufnahmen, sogar Stereo, und so vor dem Vergessen bewahrten.

Nach einem solchen Übungsabend hörten wir uns meistens noch mal die Riffs, Song-Fragmente oder fertigen Songs an, um uns gegenseitig auf die Schultern zu klopfen, und bei einer solchen Session-Nachbesprechung passierte es. Jemand hatte vergessen zurückzuspulen. Wir hörten also die leere B-Seite der Kassette, aber plötzlich vernahm man im Hintergrund einen bekannten Sound. Der Tonkopf nahm offenbar die andere Seite des Bandes ab, und die lief entsprechend rückwärts. "Was ist das denn, mach mal lauter", rief einer.

Durch Rechtsanschlag des Volumenpotis und starken Druck auf die Kassettenfachabdeckung ließ sich die Musik halbwegs hörbar machen. Und wir sahen uns jetzt erstaunt und vielleicht sogar ein bisschen schuldbewusst an. Denn das waren wir, ganz eindeutig. Wir klangen ganz genauso wie immer. Allerdings wesentlich besser. Die gerade gehörten Killer-Riffs wären uns nie selbst eingefallen, das wussten wir alle. Und vielleicht ahnte der eine oder andere da bereits, dass wir es als Band - richtig herum - wohl doch nicht ganz so weit bringen würden.

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