■ Kolumne: Halb-Stars ohne Benimm
Hallo, hallo! Guten Morgen, lieber Leser, wie geht's? Ich bin's, deine freundliche und wohlerzogene Kolumne. Ich weiß, was sich gehört, aber – Hand auf's Herz: Weiß nicht eigentlich jeder, daß es zu den Elementarteilchen freundlichen Verhaltens gehört, den Nachbarn und den Nächsten, den Freund und den Kollegen zu grüßen? Doch, das weiß jeder, und weil das so ist, muß man nach einem Grund suchen, wenn der Gruß ausbleibt.
Womit wir schon wieder tief in der hanseatischen Musikszene wären, denn dort gehört es zum guten Ton, unfreundlich zu sein. Jene Semi-Prominenten, Halb-Stars und Meteore am Hamburger Underground-Himmel sind Meister im Ignorieren. Jedenfalls im Ignorieren des Pöbels: kein Hallo für den Fan, der einen mal in ein Gespräch verwickelte; für den Stammgast der Kneipe, in der man hinterm Tresen steht; das Mitglied einer noch unbekannten Band, die man mal im Vorprogramm hatte.
Und es ist natürlich nicht nur der Gruß, der diesen niederen Kreaturen verweigert wird. Es ist auch das Interesse, die Solidarität, die Unterstützung, kurz: der R-E-S-P-E-C-T, um es mit Otis Redding zu sagen. Auftauen tun die Gesichtszüge erst bei dem tollen Künstler, dessen alkoholbedingte sexistische Ausrutscher man auch gerne augenzwinkernd akzeptiert, bei dem coolen Impresario, dem einflußreichen Journalisten...
Nun könnte man meinen, das Nicht-Grüßen sei eine Folge von Antipathie, schlechtem Gedächtnis oder Kurzsichtigkeit, was ja schön und gut ist und alles leider gelegentlich vorkommt. Oder es beruhe auf einem gelebten, alternativen Punk-Verständnis, das auf herkömmliche, bürgerliche Umgangsformen scheißt. Aber warum endet all das, wenn der bislang Ignorierte plötzlich erfolgreich, cool, wichtig, ein Jemand geworden ist?
Karrieretechnisch mag das ein sinnvolles Gebaren sein, „friends in high places“ können einem zu manch Nützlichem verhelfen, und sei es nur zum Titel „Platte des Monats“ in irgendeinem Magazin. Sympathisch ist es jedoch nicht. Und darüber belehren lassen, was korrekte und nichtkorrekte Verhaltensweisen sind, mag man sich von solchen Typen auch nicht.
Um zu beweisen, daß wir anders sind, grüßen wir deshalb, was das Zeug hält. Und spannen sogar wildfremde Menschen in dieses Projekt ein: Hallo, Almut vom NDR-Ausschnittdienst! Könntest Du so freundlich sein und deine Kollegin Ebba von mir grüßen?
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