piwik no script img

■ KolumneDer Deutsche hört deutsch

Die Kampagne für eine Deutsch-Rock-Quote kam zu einem seltsamen Zeitpunkt. Denn schaut man in die Verkaufscharts, ist der Siegeszug der dort mit einem „D“markierten Platten unverkennbar. Der Deutsche hört wieder am liebsten deutsch. Aber vielleicht fürchteten der Rockmusiker-Verband und seine prominenten Mitglieder wie Kunze, Lindenberg und Niedecken vor allem den Untergang einer Sache, die tatsächlich im Niedergang begriffen ist: der deutschsprachige Rock.

Bis auf Pur – aber die haben wohl nichts mehr dagegen, wenn man sie dem Genre „Schlager“zurechnet, schließlich lassen sie sich ihre Platinplatten von Dieter-Thomas Heck überreichen – sind die letzten Veröffentlichungen der Deutsch-Rock-Prominenz gefloppt. Zuletzt vernahm man ja, daß die Herren in ihrer Not eine eigene Radio-Station aufbauen wollen. Wobei interessant ist, ob sie dann nur ihre eigenen Nummern darin dudeln wollen oder tatsächlich den „Nachwuchs-Künstlern“wie Blumfeld oder Tocotronic, die Kunze so ans Herz gewachsen sind, eine Plattform geben wollen. Vielleicht, weil sie gerne in der Lebenslüge leben wollen, jene Bands seien der eigene Nachwuchs. Das ist sicher angenehmer als die Vorstellung, zu den letzten Exemplaren einer aussterbenden Art zu gehören.

Nein, der Sieg des „D“ist der Sieg des Trashfloor und somit ein Sieg über Italien, das sich dieses Genre irgendwann zu Beginn der 80er ausdachte. Den Triumph komplett macht derzeit die befreundete Formation Whirlpool Productions, deren „From: Disco To: Disco“dort derzeit die Charts anführt. Whirlpool-Vorstand Hans Nieswandt dürfte der eine oder andere ja noch aus seiner Hamburger Zeit als Film- und Musikkritiker kennen, bzw. aus den gut anderthalb Jahren, die er in der Gruppe Medien Märkte Meinungen sang und spielte. Ich habe auch noch ein Tape der Band Club der Söhne, in der Hans Nieswandt noch früher, nämlich in seiner Bodensee-Zeit, spielte.

Den Erfolg von Whirlpool kann man auch gut als aktuelle Ausnahme anführen, die die Regel bestätigt, daß man im Ausland von Popmusik mit dem „D“-Brandzeichen nichts wissen will. Früher nahmen immer Kraftwerk die Rolle der Ausnahme an. Für die interessiert man sich ja jetzt aus zwei Gründen wieder. Einmal, weil sie eventuell demnächst mal eine neue Platte veröffentlichen – nichts Genaues weiß man. Zum anderen, weil Krautrock (wozu alle deutschen Bands der 70er gerechnet werden, ob sie wollen oder nicht) derzeit rehabilitiert wird.

Zu Unrecht, wenn man mich fragt. Eigentlich haben ja alle diese Bands, die da so gefeiert werden, nichts miteinander gemein. Außer daß sie alle über die Maßen schlecht und lächerlich und doof waren. Was bislang auch jedem klar war.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen