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Kolumne über das Älter WerdenToo young to die, too old for Rock n Roll

Der Abschied von der eigenen Jugend kommt plötzlich. Die neue Kolumne über das Älter werden. Ein Prolog

Bild: privat von 68

Klaus-Peter Klingelschmitt ist Korrespondent der taz in Frankfurt. Das Bild zeigt ihn im Jahre 1968.

"Es gibt kein anderes Heilmittel, keine andere Vorschrift, keine andere Wissenschaft, die Übel des Alters zu vermeiden, als sich zu entschließen, alles menschlich zu ertragen oder aber dem Leben unversehens ein Ende zu setzen." (Michel de Montaigne, Badereise, Lucca 1580). Der in Bordeaux geborene Kaufmann, Philosoph und Autor der wunderbarsten Essays der Literaturgeschichte litt ab seinem 45. Lebensjahr an chronischen Erkrankungen der Harnwege und der Blase und schied unter fürchterlichen Schmerzen "Steine so groß wie Tannenzapfen" aus.

Das Alter mit seinem nicht hinwegzuliftenden garstigen Antlitz "menschlich ertragen" lernen, den letzten Lebensweg lange mit Würde beschreiten und auf ihm dann irgendwann dem Tod tapfer begegnen, der "ganz unangemeldet kommt, wie ein ungebetener später, vielleicht sogar freundlicher Gast" (Jim Morrison), das ist die Herkulesaufgabe, der auch wir uns jetzt - ganz überraschend - zu stellen haben: wir alternden Mitglieder der Generation Beat, der Achtundsechziger (ff.), die wir lange glaubten, ewige Jugend gepachtet zu haben, weil ja alles immer irgendwie bruchlos weiter und weiter ging und oft auch noch geht - daheim, mit den anderen Zeitgenossen und auch im Job. Altwerden? Wir doch nicht. Weiter, immer weiter - die Kahnsche Torwartphilosophie als Überlebensstrategie auch der zwischen 1948 und 1958 geborenen Frauen und Männer mit der Sozialisation links: "Baby, dont look back!" (Van Morrison).

Geplant war das nicht. Zuerst hieß es nämlich: "Hope I die before get old!" (The Who). Doch das war nur frühe Koketterie mit dem Sensenmann, als wir alle tatsächlich noch glaubten, das Leben wäre unendlich lang, vor allem bis zur Volljährigkeit. Dann sagten wir (uns): Trau keinem über 30. Als wir dann 30 waren und uns selbst nicht mehr über den Weg hätten trauen dürfen und eigentlich doch schon längst tot sein müssten wie Brian, Jimmy, Janis und Jim, half uns Bob Dylan weiter: "Forever young!" Weiter, immer weiter. Der alte (Zimmer-)Mann wusste Bescheid. Illusionen verkaufen sich bestens; dafür kriegt er jetzt zu Recht den Pulitzerpreis.

"Forever young" ist eine ganz wunderbare Lebenslüge, die von den meisten von uns erst mit 50 plus entlarvt wird, wenn der physische Alterungsprozess nicht mehr hinweggeschminkt - oder -gefärbt werden kann; von einigen Ignoranten leider nie (und die machen sich dann bis zum Schluss zum Affen). Doch so lange wie möglich wollten wir gerne glauben, dass wir die von Dylan für diesen Heilszustand genannten Grundbedingungen noch immer problemlos erfüllen: Courage haben. Sich treu bleiben. Andern helfen und sich helfen lassen. Liebe geben und geliebt werden. "And then you stayyayyahhy - forever young!"

Natürlich ist "Liebe geben und Geliebtwerden!" die Basis. Wer mit einem geliebten Menschen zusammen alt werden darf, hat das große Los gezogen. Courage lässt sich so leicht aufbringen. Und sich gegenseitig helfen gehörte schließlich schon immer zum Lifestyle. Aber wo bleibt die Courage, wenn man nackt und - unten - rasiert, mit Desinfektionsfarbe (orange) bestrichen und örtlich betäubt mit einer koronaren Herzerkrankung im Rahmen einer Katheteruntersuchung auf einem Operationstisch liegt? Wenn der junge Kardiologe dann professionell kühl fragt, ob er einen Stent - ein metallenes Röhrchen - in ein verengtes Herzkranzgefäß implantieren soll - oder doch lieber nicht? Und wenn einem dann die Angst die Kehle zuschnürt? Tod oder Leben.

Dann registriert man in Sekundenbruchteilen, dass es vorbei ist mit dem "forever young". Dass man ab sofort Tag für Tag um Courage wird kämpfen müssen. Und dass sich treu bleiben heißt, sich veränderten Lebensbedingungen anzupassen und dabei ganz gelassen zu bleiben - unaufgeregt schon aus Selbstschutzgründen.

Und was sagt Montaigne dazu? "Es ist ungewiss, wo der Tod unserer wartet; also erwarten wir ihn überall. Die Besinnung auf den Tod ist die Besinnung auf Freiheit." Also weg mit der Angst - und wieder her mit der Courage. Rein mit dem Ding! Das war vor drei Jahren. Danach hab ich beschlossen, alt zu werden - und zwar mit Würde. Machen Sie mit.

Raus: Alle Taschenbücher Soziologie post 68. Alle Neil-Young-CDs außer "After the Goldrush" und "Harvest". Alte Lederjacke (braun).

Rein: Reiseführer Saarland. CD von Tom Waits ("Raindogs"). Neue Lederjacke (schwarz).

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3 Kommentare

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  • N
    NeoCon

    Mein lieber Herr Klingeschmitt!

    Das nennt man das Pfeifen im Walde...

     

    Oh to live on

    sugar mountain

    with the barkers and the colored balloons

    You can't be twenty

    on sugar mountain

    though you're thinkin'

    that you're leavin' there too soon

    you're leavin' there too soon...

     

    Neil Young

     

    Ad multos annos!

  • IN
    Ihr NameDoris Rüchel

    Meinen Sie nicht,dass Bob Dylan mit 'Forever young" vor allen Dingen, Ihr (unser, sein) Gehirn meint? Wenn man alt wird ,muss man Geduld und Humor haben,dann ist es meistens nicht so garstig,solange man jung im Gehirn bleibt.Ich kenne Leute,die mit 20 so alt sind,so alt kann ich mit fast 70 gar nicht mehr werden.Sie hoffentlich auch nicht.In dem Sinne, Doris Rüchel

  • J
    Joshua

    CDs? Und dann noch von Neil Young???

    Sind die LPs verbrannt?