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Kolumne nebensachen aus wienIm Land der Psychopathen

oder Von Axtmördern und privaten Kerkermeistern

"Red Wedding Night", einen Horrorfilm in arte, empfahl der Standard vorigen Freitag seinen Lesern. Wer vor dem Einschlafen die sanfte Gänsehaut schätzt, ist dieser Tage indes mit den österreichischen Abendnachrichten und den Chronikseiten der Zeitungen bestens bedient. Gewinnt man doch den Eindruck, dass dieses Land mit Psychopathen bevölkert ist, die hinter jeder Ecke lauern können.

Vergangene Woche wurde in Krems ein Mann zu 20 Jahren Haft verurteilt, weil ihn die Geschworenen für schuldig befanden, den Bürgermeister von Spitz an der Donau vergiftet zu haben. Bürgermeister Hannes Hirtzberger fand im Februar auf der Windschutzscheibe seines Autos eine Packung Kirschlikörschokolade mit einer anonymen Grußkarte.

Nach dem Verzehr eines Bonbons war Hirtzberger zusammengebrochen. Er liegt im Koma und dürfte nach Meinung der Ärzte bleibende Schäden davontragen. Der Beschuldigte bestritt mit erstaunlicher Detailkenntnis die Möglichkeit, eine ausreichende Dosis Strychnin in eine Praline zu befördern.

Verfechter einer liberaleren Waffenpolitik müssen sich bestätigt fühlen, bedarf man doch in Österreich keiner Schusswaffen, wenn man dem oder der Nächsten an den Kragen will. Das Tatwerkzeug des Reinhard S. ist in jedem Heimwerkermarkt erhältlich. S. kaufte sich eine neue Axt, um seine Frau und seine siebenjährige Tochter in Wien zu erschlagen. Dann fuhr der Mann nach Oberösterreich und tötete seine Eltern. Zuletzt wurde auch der Schwiegervater regelrecht abgeschlachtet.

Dem Umstand, dass der Amokläufer nicht mehr die Kraft hatte, an sich selbst Hand anzulegen, verdanken wir die rasche Erhellung des Motivs. Der 39-jährige Angestellte hatte bei Spekulationsgeschäften 300.000 Euro in den Sand gesetzt und wollte seinen Angehörigen die Schande ersparen.

Nach dem Fall des Josef Fritzl in Amstetten, der seine Tochter 24 Jahre in einem Keller gefangengehalten und missbraucht hat, begann man über die Abgründe der österreichischen Seele nachzudenken und hinter den Verbrechen ein Muster zu suchen, das sich mit einem Nationalcharakter erklären ließe.

In Wien kommentierte man zuletzt vor allem einen Aufsatz des britischen Germanisten und Literaturhistorikers Ritchie Robertson, der für The Times Literary Supplement schon in Albert Stifters Novelle "Turmalin" von 1853 ein Vorbild für die Bunkerkinder entdeckte. Dort sperrte ein Rentner aus Enttäuschung über die Untreue seiner Frau seine Tochter in den Keller. Bei Franz Nabls "Das Grab des Lebendigen", 1917, setzt sich für Robertson das Muster fort. In Elias Canettis "Blendung" tritt der Ingenieur Josef Fritzl als Hausmeister Pfaff auf, der seine eingesperrte Tochter regelmäßig vergewaltigt.

Wenngleich diese literarischen Vorfahren der privaten Kerkermeister fiktionale Gestalten sind, dürfte es doch im Umfeld der Autoren reale Vorbilder gegeben haben. Umgekehrt gehört es zur guten österreichischen Tradition, besonders gerissene Verbrecher durch Romane oder Filme zu würdigen.

Die Geschichte des Briefbombenattentäters Franz Fuchs, der eine "Bajuwarische Befreiungsfront" erfand, um seine irren Taten zu rechtfertigen, wurde ebenso verfilmt wie die Biografie der Elfriede Blauensteiner, die serienweise gebrechliche Männer ehelichte, um den Erbfall zu beschleunigen.

Keiner aber hat es so weit gebracht wie Jack Unterweger. Er schrieb nach der Verurteilung wegen neun Prostituiertenmorden seine Memoiren und wurde als Knastpoet populär. Er erhängte sich 1994 in der Haftanstalt Graz, erlebte aber seine Auferstehung als Titelheld einer Oper. Der Name: "The Infernal Comedy" - "Die höllische Komödie".

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3 Kommentare

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  • EH
    Eva Hück

    Bürgermeister Hannes Hirtzberger:

     

    Mensch, der Mann tut mir sehr leid, denkt an nichts Böses ...

     

    Aber: Man isst doch keine Schokolade oder sonstige Lebensmittel (dazu gehören auch verschlossene Getränke), die jemand anonym gesponsert hat!!

     

    Wenn ein Mensch einem anderen Menschen eine Freude machen möchte, kann er doch getrost seinen Namen und seine Adresse angeben. Aber auch diese Angaben können erlogen sein!

     

    Pflichtbewußte Eltern hämmern ihren Kindern doch laufend ein: Nichts von Fremden annehmen und essen!

     

    Aber wenigstens wurde Täter gefaßt.

     

     

    Jack Unterweger:

    Mit allen Tücken und Raffinessen hat man doch damals versucht, schnell einen Schuldigen zu finden. Jack Unterweger hatte gar keine Chance!

     

    Entlastende Zeugen wurden vor Gericht erst gar nicht zugelassen; zeitlich konnte er in einigen Fällen gar nicht am Tatort sein - egal: Hauptsache, man konnte dem Volk einen Schuldigen präsentieren!

  • T
    TheGoodLife

    Das Land der Psychopathen -

     

    oder wer?

  • HK
    Hanns Krehbiel

    Es ist wohl Zeit, sich an Helmut Qualtingers Kabarettsketch von ca. 1960 zu erinnern. Besonders die letzen Zeilen wirken geradezu prophetisch:

     

    Die Ahndlvertilgung

    Eine Stimme aus dem Radio. Aus Hörerkreisen erhalte ich seit einigen Wochen unzählige

    Briefe, in denen sich Landwirte darüber beschweren, daß sich in letzter Zeit der Staat immer mehr in die natürliche Vertilgung der Ahndln einmischt.

    So wurden biedere Landleute, die diesen gesunden Prozeß beschleunigen wollten, verhaftet und in mehreren Fällen sogar verurteilt. Um diesen ungerechtfertigten Nachstellungen zu entgehen, sollte sich der Bauer an folgende Vertilgungsmethoden halten, die sich bereits in weitesten Kreisen der Landbevölkerung durchgesetzt haben. Was macht der Landwirt in der grünen Steiermark? Er verwendet die Jauchegrube, die den Schädling außerdem der Volkswirtschaft zuführt. Die Bauern im sonnigen Kärnten bedienen sich primitiverer Methoden. Sie benützen Hacken, die zwar zweckentsprechend sind, aber das Ahndl unter Umständen vor dem Vorhaben warnen können. Aus dem schönen Burgenland kommt die Methode des Häuseranzündens, die nur leider zu oft mit erheblichem Sachschaden verbunden ist. Hier empfiehlt es sich, das Unternehmen mit einer Versicherungsaktion zu koppeln. Man kann natürlich – wie auf den herrlichen Matten des Tauernmassivs – seinen Vorfahren in den Stall sperren und ihm die Nahrung verweigern, was jedoch nicht in allen Fällen wirkt, da derselbe dann zuweilen beim Vieh mitfrißt. Was macht der Tiroler in so einem Fall? Der Tiroler ist lustig, der Tiroler ist froh, er hat stets Arsen, im Volksmund „Hüttrach" genannt, in seiner blitzsauberen Küche vorrätig und erspart sich dadurch unnötige Arbeit. Im Salzkammergut, da kann man gut lustig sein, weil es so viele Seen gibt, in denen die ganze ältere Verwandtschaft Platz hat. Niederösterreich, das Land des herrlichen Weines, hat große Mengen von Kupfervitriol bereit, um den Vorfahren die entsprechende Behandlung teilwerden zu lassen. Und Oberösterreich, die Heimat des Führers, bringt einen Most hervor, der allein imstande ist, auch dem härtesten Großvater das Handwerk zu legen. Ich hoffe, dieser kleine Überblick hat Ihnen wertvolle Anregungen gegeben.

    Ich verabschiede mich und melde mich morgen wieder mit einem Vortrag über das Thema „Die Blutschande und ihre Bedeutung für ein gesundes Landleben".

    Helmut Qualtinger