Kolumne die Kriegsreporterin: Gang-Writing für Beamte
Der „Spiegel“ fragt nach der Lust der Frauen – und am Ende wird geheiratet. Die Gala-Chefin kritisiert – und schont die Anzeigenkunden.
H allo taz-Medienredaktion!
Manchmal frage ich mich, ob der Umstand, dass Frauen so wenige Publikationen von Qualität verantworten, dafür aber Dutzende von Blättern zur Verblödung, vielleicht doch daran liegt, dass Frauen dumm sind. Einfältig. Sich nicht trauen, schlau zu sein.
Da ich vor allem die Überlegung, dass sie sich nicht trauen, schlau zu sein, für klug halte, bin ich um so mehr aus dem Häuschen, wenn mal eine aus der Dummbatzabteilung den Mund aufmacht, um etwas von Gehalt zu sagen. Und so glaubst du nicht, wie ich letzte Woche getanzt habe, als die Chefredakteurin der Gala schrieb, sie lasse ihre Töchter nicht Germanys Next Top Model gucken, weil „Ich will nicht, dass sie denken, sie müssten superdünn sein und ‚Challenges‘ überstehen, um jemandem zu gefallen.“ Eine Asti-Spumante-Dusche für Anna Meyer-Minnemann!
Aber nur, um anschließend das Pechbad mit Federbewurf für sie einzulassen. Sie wünsche sich, schreibt Meyer-Minnimasse im Editorial, dass die Show noch eine weitere Staffel gesendet wird, um dann mit „dem schönsten und längsten“ Finale zu schließen. Was daran liegen könnte, dass Madame es sich nicht mit ihrem Anzeigenkunden L’Oreal verderben möchte, der laut Horizont die meisten Werbegelder im Umfeld von Heidis Klumpshow ausgibt.
Oder dass sie schlicht froh ist, dass Lederstrumpf Joop für sein Gesicht eine Anschlussverwertung nach der Gerbprozedur gefunden hat, der, dem Vernehmen nach – so nennt Kai-Hinrich Renner Dinge, die er nicht belegen kann – der Familie Meyer-Minnemann als Patenonkel verbunden ist.
Auch der Spiegel tut ja alle 17 Wochen so, als hätte er Interesse an Frauen. Letzte Woche zum Beispiel. Da hatte er “Was Frauen wollen“ auf dem Titel. Und meinte mal nicht umweltverträgliches Einkaufen, sondern Lust. Sex. Untenrum. „Die Vermessung der Lust“ hatte man sich auf die Agenda geschrieben und damit einen neuen Versuch der Ermächtigung angetreten.
Abgesehen von dem unterhaltsamen Umstand, dass der Spiegel sich wenn es um Lust geht, liest wie eine Verhaltensanleitung von 1964 für Beamte im Falle eines Feuers, ist es erstaunlich, was die acht KollegInnen, die in einer Art Gang-Writing den Text erstellt haben, als nennenswert erachten. Während andernorts über den Ausbruch aus der Monogamie berichtet wird, der selbstverständliche Sex unter Freunden, die Swingerclubs und das Gleichgeschlechtliche, frisst sich der pseudowissenschaftliche Artikel durch ein moralinsaures Gelände, in dem bis zum 30. Geburtstag Sex mit mehr als sechs Männern gehabt zu haben, ein großes Oho ist.
Was mir aber am besten gefällt, wenn der Spiegel wissen will, „Was Frauen wollen“, ist, dass am Ende geheiratet wird. Ja, wo kämen wir denn hin, wenn diese wilde Sause (38 Prozent benutzen einen Vibrator!) nicht im Heiratsantrag endete, mit dem die Hauptprotagonistin ins Leben entlassen wird und die Ordnung à la Spiegel wieder hergestellt würde.
Einen Orden für Ordnung verdient hingegen der Mediendienst turi2. Der hat sich im Zuge „wachsender Begehrlichkeiten“ eine „Selbstverpflichtung in Sachen Werbung und PR“ auferlegt – “zum Selbstschutz“, sagt Peter Turi, „damit nicht in jeder Situation neu überlegt werden muss“. Situationen wie die, dem neuen Geschäftsführer eines Anzeigenkunden gegenüberzusitzen, der sagt: „Machen Sie doch mal ein Interview mit mir!“ Mein Lieblingssatz steht in Passus 4: „Wir sind allein dem Leser und der Wahrheit verpflichtet.“ Wann werden Gruner & Jahr, Burda und Bauer eine solche Erklärung ausgeben? Und damit zurück nach Berlin!
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