Kolumne der entscheidende Unterschied: Den Glanz im Nacken

Rot oder Weiß? Beim Trikotkauf stellt sich die entscheidende Frage: In welcher Farbe soll das Glück erblühn?

Ich hab mich für Weiß entschieden. Und für das mit ohne Nummer. Ehrlich gesagt, weil ich dafür zu schlecht vorbereitet war. Ich habe zwar eine Lieblingsnummer, aber weiß erst seit der taz vom Samstag, dass sich dahinter, oder wohl besser darunter, Celia Okoyino da Mbabi verbirgt. (Wobei mir die Beschreibung ihres Stils gefällt: Kann alles, was mit Offensive zu tun hat. Falls ich noch im Laufe der nächsten Wochen ein Ersatztrikot brauche oder meines gar im Eifer der Turniertage getauscht haben sollte, kauf ich mir vielleicht ne Nummer 13.)

Die Nummer war aber das kleinste Problem. Rot oder Weiß? "Weiß ziehen die Deutschen immer zu Hause an", erklärt mir der Verkäufer im Kaufhaus meines Vertrauens. Er kommt aus der Türkei, lässt er im zweiten Satz beiläufig einfließen, und das mag zweierlei bedeuten: Entweder ist sein Hinweis als Indiz besonderer Neutralität zu verstehen - oder als Bekenntnis, dass ihn das WM-Turnier nicht recht was angeht.

Jedenfalls: Obwohl mir das rote eigentlich besser gefällt, ist es mir zu peinlich zu fragen, weshalb es Auswärtstrikots gibt, wenn die Deutschen doch in diesem Jahr immer nur zu Hause spielen und es in vier Jahren sicher wieder ein neues Schnittmuster gibt - und hoffentlich mit drei goldenen Sternen oberhalb der linken Brust.

Was weiß ich? Also Weiß. Berlin ist ja in jedem Fall zu Hause. Und dafür hab ich Glückliche sogar ein Ticket. (Dank meiner vorausschauenden Freundin ist es in meinen Händen, hat sie echt schon vor einem Jahr gekauft, Waaaahnsinn.) Weiß also für diese Fußball-von-seiner-schönsten-Seite-WM-Hemdchen - so soll es sein. Das ist ästhetisch vertretbar. Edel irgendwie, der goldige Kragen und Ärmelabschluss. Am Hals dazwischen ein bisschen Rot, damit es dann mit den Adidas-Streifen zum Nationalfarbentrio reicht.

Der Hammer im Kragen

Der Hammer aber ist im Kragen verborgen, in schwarzem Gummi steht im Nackenbereich: "Blüh im Glanze dieses Glückes" in einer komischen Schnörkelschrift. Und wirklich mit Pünktchen vorne und hinten.

Vielleicht soll das verweisen auf die ornamentierte Blumenpracht der Vorder- und Rückseite dieses Damendresses. An der Seite ist irgendein löchriger Unterhemdenstoff zu fühlen, der arg an Spießer-Löcher-Ripp Marke Malle erinnert. Aber vorne und hinten haben die sich echt was einfallen lassen.

Ganz schön floral, was da im Glanze blühen soll. Ist blumig also der Unterschied des Weiblichen zum Männlichen? Und mögen Männer nie Blümchen? Wer entscheidet das eigentlich, was da tiefenreingedruckt wird? Und hat da jede tatsächlich dasselbe im Nacken stehn? Ganz schön krass, diese subtile Art, Druck zu machen: "Blüh im Glanze dieses Glückes" mit gedachtem Ausrufezeichen. Allerdings in Blümchenform.

Steht bei den Jungs da eigentlich auch was? "Einigkeit und Recht und Freiheit" oder "Für das deutsche Vaterland". Dann würde das vielleicht auch mal wieder was mit einem Titel. Denn bei uns Mädels wird das ja klappen in diesem Jahr. Mit so viel blühenden Landschaften zu Hause mitten in der Eurokrise.

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Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)

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