Kolumne Wutbürger: Weitwurf für Olympia
Sie pfeffern Koffer um Koffer aufs Band – Menschen in Neongelb, die sich an Flughäfen aufhalten. Die Kür: Das Gepäck so aufs Band knallen, dass es platzt.
D as Internationale Olympische Komitee ist ja ständig darum bemüht, die Idee des antiken Wettstreits mit den Entwicklungen im Hier und Heute in Einklang zu halten. Ich möchte ihm deshalb eine Sportart ans Herz legen, von der die Weltöffentlichkeit bislang aus mir unverständlichen Gründen keinerlei Notiz genommen hat: den Kofferweitwurf.
Entwickelt hat sich dieser Sport in Flughäfen. Die Athleten sind zumeist Männer, die in neongelben Trainingsanzügen und mit Schallschutz auf den Ohren – ich nehme an, den brauchen sie für die Konzentration – Gepäckstücke aus Anhängern wuchten und sie aus möglichst großer Entfernung aufs Gepäckband schmeißen.
Die Fähigkeiten, die es braucht, um es bis an die Weltspitze zu schaffen, sind: Kraft in Armen und Schultern, Disziplin, Ausdauer sowie den Ehrgeiz, mindestens einmal pro Trainingsrunde einen Koffer mit solcher Wucht auf der Kunststoffbahn aufkommen zu lassen, dass er platzt. Dann weiß der Sportler: Gold bei Olympia ist keine Illusion, und er kann von Werbeverträgen und lebenslangem Ruhm träumen.
Es gibt nicht viele Möglichkeiten, den Athleten beim Üben zuzusehen. Umso dankbarer war ich, dass ich neulich am Flughafen vor der Passkontrolle warten musste. Durch die Glasscheibe sah ich, wie ein Mann mit Glatze (Luftwiderstand!) Koffer um Koffer in die Hand nahm und aus einer Höhe von einem Meter aufs Band pfefferte. Er hätte die Gepäckstücke auch einfach hinlegen können. Aber der Mann stand ganz offensichtlich im Training. Da müssen persönliche Bedürfnisse wie etwa, dass man seine Hosen, Socken und den Kulturbeutel nur ungern einzeln aufsammelt, eben zurückstehen.
Wie Greenpeace gegen Russland kämpft. Eine Reportage aus dem Innern des Umweltriesen lesen Sie in der taz.am wochenende vom 26./27. Oktober 2013 . Außerdem: Apple hatte versprochen, die Arbeitsbedingungen in China zu verbessern. Fabrikarbeiter und Arbeitsrechtler berichten, ob sich wirklich etwas getan hat. Und: Der Herbst eines Superstars - ein Portrait von Dirk Nowitzki. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Ich denke, die Olympischen Spiele 2020 in Tokio sind für ihn eine realistische Perspektive. Er sollte nur darauf achten, dass er seine Wettkampfkleidung im Handgepäck mit sich führt. Nicht, dass er am Ende noch nackt antreten muss.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Pelicot-Prozess und Rape Culture
Der Vergewaltiger sind wir
Rechtsextreme Demo in Friedrichshain
Antifa, da geht noch was
Trendvokabel 2024
Gelebte Demutkratie
Studie Paritätischer Wohlfahrtsverband
Wohnst du noch oder verarmst du schon?
Bundestagswahlkampf der Berliner Grünen
Vorwürfe gegen Parlamentarier
Mord an UnitedHealthcare-CEO
Gewalt erzeugt Gewalt