Kolumne Wutbürger: Warten, bis der Arzt kommt
Hat der Zug gerade mal vier Minuten Verspätung, ist sofort Krawall angesagt. Aber beim Arzt werden alle wieder ganz devot.

D ie Deutschen haben den Ruf, pünktlich zu sein. Wer Orte des Widerstands gegen diese Tugend sucht, sollte einfach mal zum Arzt gehen.
Sobald ich eine Arztpraxis betrete, habe ich das Gefühl, eine lästige Bittstellerin zu sein. Es geht hier nicht um den normalen Hausarzt, bei dem alle ohne Anmeldung vorbeikommen, um ihre Krankschreibung abzuholen. Da kann ich es akzeptieren, dass ich erst mal warten muss. Interessanterweise ist dieser aber zackiger unterwegs als die Fachärzte. So scheitere ich seit Jahren an dem Versuch, zu einem Hautarzt ins Behandlungszimmer vorzudringen.
Das Spiel in diesen Praxen ist immer dasselbe: Völlig abgehetzt, aber pünktlich stehe ich vor dem Tresen der medizinischen Fachangestellten. Die ist gern genauso schlecht gelaunt, wie sie bezahlt wird. Nachdem sie sich endlich meiner erbarmt, verlangt sie meine Karte, meistens ohne von ihrem Bildschirm hochzuschauen, und schickt mich ungerührt ins Wartezimmer. Die Bude ist schon gut gefüllt mit Patienten, die stoisch in abgeranzten Zeitschriften und Broschüren blättern. Würden wir auf dem Bahnsteig stehen und der Zug hätte vier Minuten Verspätung, wäre Krawall angesagt. Aber beim Doktor werden alle ganz devot.

Als der Völkermord in Ruanda begann, machte unsere Autorin, Tochter einer Tutsi, dort gerade Urlaub. Zwanzig Jahre später blickt sie zurück – und nach vorn. Wie Ruandas neue Generation versucht, ihr Land neu zu erfinden, lesen Sie in der taz.am wochenende vom 5./6. April 2014. Außerdem: Warum Maos Notizen zum Partisanenkrieg beim Computerspielen helfen. Und: Der Lyriker Yahya Hassan war gerade volljährig, als sein Gedichtband ein Bestseller wurde. Ein sonntaz-Gespräch über fehlende Vaterliebe und den Hass der Islamisten. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.
Da ich etwas ungeduldig bin und Termine ernst nehme, frage ich alle fünf Minuten nach, wie lange das noch dauert und warum sie ihren Betrieb nicht im Griff haben. Nach meinem fünften Auftritt ist die Stimmung zwischen mir und dem Personal so vergiftet, dass ich besser gehe.
Inzwischen habe ich herausgefunden, dass meine Zwischenlagerung der Versuch ist, mir kassenfremde Leistungen anzudrehen. Auf einem Ärzteportal wird darauf hingewiesen, dass der Patient ins Wartezimmer muss – ob er will oder nicht –, denn dort könnte er, während er über seine Gesundheit nachdenkt, mit entsprechenden Broschüren gewinnbringend angeregt werden.
Mich regt das vor allem auf.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links