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Kolumne WortklaubereiDer letzte schöne Tag

Kolumne
von Josef Winkler

Das geht alles von ihrer Freizeit ab: So schnell kann kein Prozessor laufen wie der Sommer vergeht.

W ow. „Doppelt so schneller Prozessor, doppelt so viel Freizeit.“ Man kann ja viel Schmarrn in seine Werbung hineinfabulieren. Wussten Sie zum Beispiel, warum man Erkältungen oft so schwer wieder los wird? Schuld sind Schleimmonster! Die turnen lustig in den Lungenflügeln herum, und wenn man einen speziellen Medizinsaft säuft, dann fegt es sie förmlich hinweg und man hustet die Monster einfach aus. Oder wenn Sie Ihrem Kind Hipp Kindermilch geben, dann kriegt es noch stärkere Knochen als alle anderen Kinder und kann Sie besser verteidigen, wenn es dann mal hart auf hart kommt bei den Verteilungskämpfen, zumindest gegen die schwächliche Brut vom Nachbarn, die seinerzeit zu knickerig für Hipp Kindermilch waren. Geschenkt.

Aber „Doppelt so schneller Prozessor, doppelt so viel Freizeit“ – das ist fies, das geht tief, weil es sehr manipulativ mit einem sehr sensiblen Thema spielt. Ich las den Spruch auf einem Plakat der berühmt-berüchtigten Computerherstellungsfirma Apple Inc., während mir ein netter Mitarbeiter erklärte, was an meinem neu erworbenen Gerät alles noch nicht funktionierte, was natürlich alles von meiner Freizeit abging.

Geht dieser Slogan davon aus, dass wir armen Computerwürmer weite Teile unserer Arbeitszeit – oder zumindest doppelt so viel, wie wir später dem Tag noch an Freizeit abzuringen vermögen – damit verbringen, auf schneckenlahme Prozessoren zu warten? Und wenn diese Wartezeit halbiert wird, dann ist um 14 Uhr schon keine Arbeit mehr übrig und die Kiste wird zugeklappt, und mit einem Feierabendliedlein auf den Lippen geht’s hinaus in den Wald? Also: Dass man seine Freizeit tatsächlich ohne Prozessor verbringt?

Bild: taz

Josef Winkler ist Kolumnist der taz.

Aber wer macht das schon noch, und höchstwahrscheinlich ist das Gegenteil gemeint: Wer seine Freizeitaktivitäten nur schön über diesen Prozessor laufen und sich nicht von zeitraubendem Analog-Schnickschnack wie Schwammerlsuchen ablenken lässt, kriegt bei optimaler Ausnutzung der Rechenleistung bis zu zweimal so viel Aktivität in seiner Freizeit unter. Die Freizeitleistungsbilanz verdoppelt sich quasi.

Wie auch immer: Es funktioniert nicht. Ich sitze hier in meinem Home-Office-Außenposten unterm Küchenfenster im Hinterhof, und diese Kolumne schreibt sich genauso langsam wie mit dem alten Prozessor. Und in einer Tour kommen Hausnachbarn durch die Tür und satteln ihre Fahrräder für einen kleinen Ausflug an die Isar, „solange noch die Sonne scheint“, Herrgott! „Genieß den letzten schönen Tag“, ruft mir eine Nachbarin zu, die wohl entweder denkt, es könne für mich etwas Genussvolles haben, an einem Sonnentag irgendwo in einem Schatteneck in meinen Computer zu starren. Oder dass ich hier eh nur am gamen bin.

„Was machst du?“ Ihr Sohn, dessen iPod Touch letztens mit der Post angekommen ist, lugt auf meinen Bildschirm und scheint enttäuscht, als er nur Buchstaben sieht. Wie kann man seinen Prozessor nur so unterfordern? Klar, dass der da nicht zur Hochleistung aufläuft. Und dann wird’s eben nix mit der doppelten Freizeit.

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