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Kolumne Über Ball und die WeltDer Kick aus Rom

Martin Krauss
Kolumne
von Martin Krauss

Trotz des Konklaves hält die 16 Mannschaften starke Vatikanliga den Spielbetrieb aufrecht. Soll doch die ganze Welt per Livestream auf einen Schornstein starren.

Bolzen im Schatten der großen Kirche: die Vatikan-Liga. Bild: dpa

F üllt der neue Papst Fußballstadien? Ernsthafte Zweifel daran, dass auch der Neue, wenn der weiße Rauch in den Kurven erst mal verflogen ist, die Massen in moderne Fußballarenen mit lustigen Namen ziehen wird, gibt es nicht. Doch die Frage ist, ob der Neue an Gottes Seitenauslinie wirklich eine anständige Präsenz auf dem Platz hinlegen kann. Ob er also würdig ist, als Stellvertreter von Fußballgöttern wie Toni Turek, Diego Maradona oder Jürgen Kohler bejubelt zu werden.

Im Vatikan hat man daran seine Zweifel. Schließlich geht dort trotz Konklave gegenwärtig der Fußballbetrieb weiter. Wie in anderen Gottesstaaten auch, ist das Fußballstadion der einzige öffentliche Ort, an dem es zu massenhaftem Protest kommen kann. Das wissen auch die Vatikan-Oberen, wo man vorsichtshalber gar keinen Fußballplatz gebaut hat.

Da muss die 16 Mannschaften starke Vatikanliga, die nur fünf Spieler pro Team erlaubt, nach Primavalle ausweichen, einem Stadtteil von Rom. Die Vatikanliga kickt derzeit, wie und wo sie immer zwischen Februar und Mai kickt. Und niemand kommt auf die Idee, den Spielbetrieb zu unterbrechen, nur weil die gesamte katholische Welt gerade gebannt den Livestream vom Schornstein der Sixtinischen Kapelle verfolgt.

Schießen statt schauen, ballern statt beten – das kann man schon als mangelnden Respekt deuten. Schließlich ist es für die in der Vatikanliga kickenden Priester und Seminaristen selbstverständlich, beispielsweise am Karfreitag nicht zu kicken. Dabei war das ja kirchenhistorisch betrachtet auch nichts anderes als der Anpfiff zur Suche nach einem neuen Stellvertreter auf Gottes Fußballacker.

Bild: privat
MARTIN KRAUSS

ist freier Autor der taz, mehr Infos auf martinkrauss.de.

Toewart Wojtyla

Von Karol Wojtyła, der als Johannes Paul II. auf den Plätzen der Welt wirbelte, war bekannt, dass er in seiner Jugend als Torwart spielte und später in – mindestens – drei Fußballvereinen Mitglied war: FC Barcelona, Schalke 04 und bei der Bunten Liga in Deutschland. Den polnischen Erstligisten KS Cracovia hat Wojtyła leidenschaftlich supportet.

Vom bisherigen Papst, Joseph „Benedikt XVI.“ Ratzinger, ist so etwas nicht bekannt, auch keine nennenswerten fußballerischen Leistungen, ja nicht mal irgendwelche Leidenschaften. Immerhin, der italienische Erstligist Lazio Rom, obzwar nicht gerade für seine nächstenliebenden Fans bekannt, schenkte Ende Januar dem scheidenden Spielführer ein Trikot, auf dessen Rücken „Joseph Ratzinger“ gedruckt war.

Und tatsächlich, so ganz fern stand Ratzinger dem Fußball nicht. 1978 nämlich, also in einem Jahr, in dem der deutsche Fußball international gerade darniederlag (WM-Aus gegen Österreich nach der Schande von Cordoba, Besuch von Nazi-Oberst Rudel im DFB-Camp), meldete sich Ratzinger, damals Erzbischof von München und Freising, zu Wort. „Fußballbegeisterung kann mehr sein als bloße Unterhaltung“, war ein Text von ihm in der Tagespost aus Würzburg betitelt.

Die Begeisterung für den globalen Kick zeige, so Ratzinger, „dass hier etwas Urmenschliches angesprochen sein muss, und es steht die Frage auf, worin diese Macht des Spiels begründet liegt“. Die Antwort fand er schnell: Der Fußball erschien ihm als „das Heraustreten aus dem versklavten Ernst des Alltags“. Aber nicht etwa ein Heraustreten, um anschließend etwas Schöneres zu machen, sondern so ziemlich das Gegenteil: Das Kicken war ihm „Einübung ins Leben“.

In Richtung „verlorenes Paradies“

Und, um gleich noch eine autoritäre Fantasie nachzuschieben, lobte Ratzinger den Fußball, dieser nötige den Menschen, sich selbst zu züchtigen; er war ihm „die Vorübung des Lebens und die Überschreitung des Lebens in Richtung des verlorenen Paradieses“.

Das also ist das Erbe, das der neue Papst antritt: Der eine Vorgänger, Ratzinger, hat ihm wirres sportphilosophisches Gekritzel hinterlassen, das arg an Sepp Herberger und Felix Magath erinnert. Vom anderen, dem Polen Wojtyła, müssten in irgendeiner Schublade in den Gemächern noch die Ehrenmitgliedskarten dreier grundsympathischer Fußballklubs lagern.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte
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