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Kolumne Über Ball und WeltDie einsamen Sterne von Liberia

Martin Krauss
Kolumne
von Martin Krauss

Fußball ist in Liberia Volkssport. Doch die Folgen des Bürgerkriegs und ein zweifelhafter Landesverband verhindern große Erfolge. So ist das Land nur ein Talentelieferant.

Die liberianische Fußball-Nationalmannschaft der Amputierten beim Training. Spielbilder gibt es im Video weiter unten. Bild: ap

E twa zwanzig Fußballfans demonstrieren auf einer staubigen Straße. „Redemption of Football in Liberia“ fordern sie auf ihren Transparenten, Erlösung vom zuletzt sehr grottigem Gekicke in dem westafrikanischen Land. Den Präsidenten des liberianischen Fußballverbandes (LFA), Musa Bility, nennen sie „Mister Corruption“; ihr Sprecher sagt: „Bility muss jetzt zurücktreten, damit sich der Fußball entwickeln kann. Wir verlieren unsere Talente.“

Das klingt alles grundsympathisch, und wenn man LFA durch Fifa ersetzte, Bility durch Blatter und Liberia durch, sagen wir: Welt, dann kommt einem das bekannt vor. Doch zeigt der Blick auf Liberia, dass es nicht die Personen sind, die schlechte Fußballpolitik verantworten. Sondern dass der Handlungsspielraum jedes noch so gutwilligen Akteurs zu eng ist, als dass sich der Sport gut entwickeln könnte.

Fußball ist in Liberia Volkssport. Das Land hat trotz seiner nur fast vier Millionen Einwohner schon einen Weltfußballer wie George Weah hervorgebracht, der beim AS Monaco, Paris St. Germain und dem AC Mailand gespielt hat. Und der aktuelle Nationalspieler Sekou Oliseh verdient bei ZSKA Moskau sein Geld. Kein Grund also, finden zumindest die Fans, warum ihr Land auf der Fifa-Weltrangliste nur auf Platz 112 platziert ist.

Bild: Cornelia Ogiolda
Martin Krauss

ist freier Autor der taz, mehr Infos auf martinkrauss.de.

Bei der LFA sieht man das anders. Schließlich musste man doch den Spielbetrieb in dem vom Bürgerkrieg der neunziger Jahre zerstörten Land erst wieder an den Weltfußball heranführen. Henry Flomo, Sprecher der LFA, sagt, Präsident Bility habe doch schon zwei ausländische Trainer zum Nationalteam „Lone Stars“ geholt, für eine Flutlichtanlage im Antoinette-Tubman-Stadion in Monrovia gesorgt, ein zweigeschossiges Gebäude für die Verwaltung der LFA angemietet, und mit dem US-Unternehmen Cellcom habe er sogar einen Sponsor für Lone Stars und Erste Liga gewinnen können.

Kritiker sagen, dass das Unternehmen gerade mal 3 Millionen Dollar in drei Jahren Geld ausgibt, Peanuts. Doch die LFA versucht die Kritik zu unterbinden. Als liberianische Liga-Vertreter jüngst zusammentrafen, wurde ihnen der Zutritt zum Tubman-Stadion verweigert. Vorher hatte die LFA einige Funktionäre hinausgeworfen, darunter Rochell Woodson, eine der wenigen Frauen im Verband. Der Vorwurf: Sie habe das „Ansehen der Nationalmannschaft beschmutzt“. Als die Fifa Woodson vor zwei Jahren zur Sonderberaterin in Sachen Frauenfußball berief, liefen die männlichen Funktionäre Sturm: Dass Woodson überhaupt bekannt ist, sei ja schon „arglistig“.

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Jüngst veröffentlichte Robert Mulbah, einer der angesehensten Sportjournalisten des Landes, ein Schreiben, in dem FLA-Präsident Bility auf Verbandsbriefpapier seinem Sohn Sidiki mitteilt, dass dessen Firma bevorzugt behandelt werde. Das sei alles eine Lüge, lässt die LFA verlauten, doch die großen Zeitungen des Landes solidarisieren sich mit Mulbah – bald wird ein Gericht entscheiden.

Aber auch nach einem eventuellen Rücktritts Bilitys bleibt der Fußball in Liberia unattraktiv, mitunter tödlich. Als 2008, bei einem WM-Qualifikationsspiel gegen Gambia, gefälschte Tickets verkauft wurden, drängten zu viele Fans hinein: Neun Menschen wurden zerquetscht oder zu Tode getrampelt.

Sehr viel hat sich seither nicht geändert. Fußball begeistert nur im Fernsehen, und zwar dann, wenn der FC Barcelona oder Manchester United spielen – und nicht etwa der amtierende Meister Liberia Ship Corporate Registry FC. Die Funktion des liberianischen Fußballs ist – unabhängig davon, wer gerade Präsident ist –, dem Weltmarkt Talente zu liefern. Vielleicht kommt ja ein neuer George Weah, von dem aber gewiss niemand in Liberia profitieren würde.

Kaum etwas beschreibt die traurige Situation des Fußballs in Liberia besser als der einzige große Erfolg des Landes: Beim „Amputee African Cup 2011“, der Fußballmeisterschaft der Beinamputierten, konnte das Lone-Star-Team mit seinen Versehrten aus dem Bürgerkrieg das Finale über Ghana 4:2 gewinnen. Das sind die Fußballtalente, die der Weltmarkt in Liberia belässt.

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Martin Krauss
Jahrgang 1964, Mitarbeiter des taz-Sports schon seit 1989, beschäftigt sich vor allem mit Fußball, Boxen, Sportpolitik, -soziologie und -geschichte
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