piwik no script img

Kolumne SpäterFalten für Iris Berben

Auch Frauen haben das Menschenrecht, alt zu werden. Mit Wangen, die entspannt durchhängen. Und zwar wann immer sie wollen.

Man muss nicht so aussehen mit 65: Iris Berben Foto: dpa

J eder Mensch hat seine ganz persönliche Kotzliste, und mir fiel neulich wieder ein, was bei mir da ganz oben steht. „Iris Berben wird 65“, las ich in einer Tageszeitung – irgendwie hat sich die Heraufsetzung des Rentenalters noch nicht überall herumgesprochen. Dann kam der Satz: „die Frau ohne Alter“. Die Berben, „sie gilt als die eleganteste, erotischste und charmanteste Schauspielerin“, schleimte die Autorin, dazu ein Foto des operierten und gephotoshoppten Gesichts der Berben und irgendwas über ihre „guten Gene“, die ihr helfen würden, „das mit dem Aussehen hinzubekommen“.

„Das mit dem Aussehen hinzubekommen“ heißt natürlich: bloß nicht so auszusehen, wie man denkt, dass 65-jährige, ach was, schon 50-jährige Frauen möglichst nicht aussehen sollten, um nicht die Umwelt zu verschandeln. Nämlich mit ein paar vernünftigen Falten auf der Stirn, tiefgründigen, dunklen Ringen um die Augen, Wangen, die entspannt durchhängen, weil sie sich das verdient haben, und einer Rolle um die Hüften, ohne die jede ältere Frau unglaubwürdig wirkt.

Die Berben musste immer als Beweis dafür herhalten, dass alles anders sein könnte. Bei dieser Illusion hilft übrigens ein dickes Unterhautfettgewebe im Gesicht. Wenn man außerdem über eine sparsame Mimik und einen geschickten Schönheitschirurgen verfügt, kann man ziemlich lange glatt aussehen. Reine Physiologie ist das, aus der die Medien die Message strickten: „Schaut her, so jung und sexy kann eine Frau sein mit 40, mit 50, mit 60!“

Soll heißen: „Nehmt euch ein Beispiel, Mädels, da geht noch was, mit der Erotik und den Männern, auch wenn ihr lange, sehr lange lebt.“ Die Frauen ins Jugendgefängnis zu stecken, daran sind übrigens nicht nur die Männer schuld, die haben auch viel zu tun mit ihrem Herzkasper, der Prostata und den Depressionen. Frauen machen sich schon gegenseitig fertig, das schaffen wir.

Lieber so sein wie Mrs. Winterbottom

Immerhin, das Geschäftsmodell der Berben hat all die Jahrzehnte funktioniert und das sei ihr zu gönnen. Sie wird jetzt genug Geld haben, um ihr Gesicht endlich lässig in Falten legen zu können und ihren Schönheitschirurgen nach Hause zu schicken. Sie könnte so leben wie Mrs Abigail Winterbottom. Als junges Mädchen lernte ich sie kennen, es war auf einer Horseshow in Wiltshire, England, ich war zum Sprachelernen und Stallausmisten da. Mrs Winterbottom war geschätzte 70, faltiges Gesicht, sie trug ein verwaschenes blaues Männerhemd und betrieb eine kleine ländliche Pferdezucht. Ihr graues Haar flatterte im Wind, als sie ihren Welsh-Cob-Hengst „High Noon“ an der Hand vorstellte, sie lief neben ihm her, die rechte Hand mit dem Führstrick hoch erhoben, so dass das Tier seinen schönen Trab zeigte.

Beim Kutschenrennen später kurvte sie mit dem Zweispänner durch den Dreck, ihre Freundin saß mit auf dem Bock. Am Abend spielte sie auf ihrer Geige, man konnte es in der Zeltstadt hören. Ich verfiel in glühende Bewunderung. Genauso, beschloss ich damals, wollte ich auch werden, später, mit 60, 70. Ein bisschen schräg. Wild. Vielleicht ist es gar nicht so schwer, das zu schaffen. Egal, mit welcher Unterhaut.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).
Themen #Altern
Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • Listen what Steve Martin said (@0:55 min): https://www.youtube.com/watch?v=381aYexNTuc

  • Wenigstens gibt es mal eine Autorin zu, dass es nicht die Männer, sondern allermeist die Frauen sind, die anderen Frauen das Faltigwerden vermiesen - aus Schadenfreude, weil sie es ja doch nicht schaffen, gerade auch die Reichsten nicht.

  • 8G
    849 (Profil gelöscht)

    Unser Nachbarin starb mit 94. Sie war eine edle Erscheinung, ungeschminkt mit vielen Falten im Gesicht, dem man nicht nur die frühere Schönheit ansah, sondern das bis zum Ende für jene schön war, die sich nicht an den ehrlichen Falten störten. Sie war schmal und hatte keine Fettrollen um die Hüften.

     

    Das muss auch nicht sein, wenn man sich richtig ernährt. Viele ältere Menschen sehen heute so aus, als schleppten sie sich nur noch dahin, weil sie zu dick oder zu krank sind. Das ist die Kehrseite des Schönheitswahns, die wir ebenso gern verdrängen wie wir Kunstprodukte wie die Berben feiern.

  • Frau (oder Mann) muss nicht mit 60 wie 38 aussehen. Auch braucht es keine zwangsweise Verordnung von Schönheitsidealen, die parallel zum Renteneintrittsalter angehoben werden.

    Wir müssen es ein Stück weit weniger wichtig nehmen, wenn wir altern und nicht mehr aussehen wie früher und vor allem müssen wir es akzeptieren lernen.

    Also keine Schönheitschirurgen und auch keine Gehirnwäsche um die Altersdiskriminierung zu beseitigen. Vielmehr Akzeptanz dass wir uns verändern - nicht nur negativ - auch positiv. Aber auch Akzeptanz, dass sich das Leben nicht konservieren lässt und Altern eben auch eine Annäherung ans Sterben ist.

    Bei allem anderen sind entweder wir unehrlich zu uns und unserer Mitwelt oder wir verlangen nach Lügen à la "80 ist das neue 30" - damit wir uns besser fühlen.

    • @Velofisch:

      Na suuuper!!! Ich bin kein Fan von der Berben, aber ich bin 50 und sehe keineswegs so aus, obwohl ich bereits Oma bin!!! Was sollen denn diese Sätze: "Nämlich mit ein paar vernünftigen Falten auf der Stirn, tiefgründigen, dunklen Ringen um die Augen, Wangen, die entspannt durchhängen, weil sie sich das verdient haben, und einer Rolle um die Hüften, ohne die jede ältere Frau unglaubwürdig wirkt."

       

      WIESO bitte maßen sich manche an, zu bestimmen, wie eine Frau ab einem gewissen Alter auszusehen hat, zu sein hat!!! Ich habe JETZT sehr viel mehr Selbstbewusstsein, als ich es z. B. mit 30 hatte, ich weiß, was ich will und vor allem weiß ich, wie ich es bekomme. Ich habe auch Pferde, arbeite mit ihnen, miste aus...komme also oft wirklich nicht so daher, als wär ich ein "Modepüppchen"...dennoch hab ich kaum Falten, fühle mich als könnte ich Bäume ausreißen und werde sicher keine "Altweiberkleider" anziehen.

      WAS ist falsch daran?!

      Ich habe mich NIE operieren lassen, sondern ernähre mich gut (hab neulich binnen 5 Wochen 11 Kilo abgenommen...auf gesunde Weise wohlgemerkt), halte mich körperlich fit, bin lebenslustig und bin völlig verrückt nach meinem Enkelkind...ach ja, habs vergessen - bin 6-fache Mutter!

       

      Die tollsten Komplimente erhalte ich immer von meinen Kindern, die stolz drauf sind, wenn wir gemeinsam in der Disco abzappeln können (mein Ältester ist 30, mein Jüngster 22).

       

      WARUM sollen also Frauen ab einem gewissen Alter, ALT aussehen, sich nicht so benehmen, wie sie sich fühlen... - nur weils andere von uns erwarten??!! Weil es sich nicht gehört??? Hmmmm...ich sag dazu nur....jetzt erst recht ;-) LOVE MY LIFE

       

      P.S. nur damits jeder weiß - ich möchte hier niemand beleidigen oder angreifen, nur sehe ich nicht ein, dass man "alt" sein muss...

  • "Menschenrecht, alt werden zu dürfen" - es scheint ein wenig, als müsste Frau stets auf Händen und umjubelt von den Stimmen einer signifikanten Mehrheit der Weltbevölkerung irgendwo hin getragen werden, damit sie das dort Ankommen als wahrhafte Gewährung ihrer zustehenden Rechte auffasst. Einfach nur - wie Alle anderen auch - mit allen realen Vor- und Nachteilen irgendwo hin zu DÜRFEN, ist noch lange keine gefühlte Gleichberechtigung. Es soll gefälligst auch Spaß machen und befriedigen, sonst ist das diskriminierend...

     

    So jedenfalls liest sich das, wenn Frau Dribbusch darüber kümt, dass die Damen das falsche Vorlbild vorgesetzt bekommen - zu allem Überfluss auch noch von einander.

     

    Aber mal im Erns, mit dem Altern ist es wie mit der Karriere: Wer sich wirklich selbstbewusst darauf einlässt - so mit Haut und Haaren und ohne lifestylemäßige Nebenziele, der schafft es auch und kann sich dann nachher ein kompetentes Urteil darüber anmaßen, ob es das wert war. Oder ob nicht doch die Konzentration auf die Erfüllung klassischer weiblicher Rollenbilder zwar nicht so sehr den Ansprüchen von - ja, wem eigentlich? - gerecht wird, aber ein viel erfüllteres Leben ermöglicht.

     

    Tatsache ist, dass weder das Wertesystem "Berben" noch das Wertesystem "Winterbottom" einen Alleinvertretungsanspruch haben oder (realistich betrachtet) brauchen. Der hier mal wieder geschürte Konflikt der beiden kommt einzig und allein vom ständigen Schielen aufeinander und dem verbissenen Streben, selbst die "Norm" definieren zu dürfen.

  • Ach Barbara, du bist doch doch gut drauf, du schaffst das:)