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Kolumne SpäterTitan-Besteck ist unverwüstlich

Wollen Frauen jenseits der 50 nur noch gärtnern? Nein, wir kaufen auch gerne mal ein paar Suggestionen. Wenn's nicht zu teuer ist.

Auf diesen SUV fällt auch die Lady in späten Jahren nicht rein. : ap

A ls ich kürzlich mit Britt im Outdoor-Laden stand, fiel sie mir wieder ein, die Tagung zum „Senioren-Marketing“ in einem schicken Hotel in Berlin. Es ging um die brisante Frage: Auf welche Werbung springt der ältere Mensch an? Die Konsumentin in späten Jahren, mitunter durchaus solvent, ist nämlich für die Werber so etwas wie fetter Speck in einer Mausefalle. Man würde gerne rankommen, die Frage ist nur: wie?

Die Frau jenseits der 50, so erfuhr ich, hat nämlich schon zu viel Werbung ertragen in ihrem langen Leben und ist daher abgestumpft. Man weiß jenseits der 50, dass teure Klamotten nicht mehr Liebe ins Leben bringen und dass die Gesichtscreme von Lidl bei Produkttests genauso gut abschneidet wie das 20mal teurere Markenprodukt.

„Wollen alle kaufkräftigen Frauen über 50 nur noch meditieren, gärtnern, singen und in der Natur herumwandern?“, fragte darauf ein Werber mit Verzweiflung in der Stimme. Mit gärtnern, singen und wandern lässt sich die Wirtschaft bekanntlich nicht ankurbeln. Auch mit meditieren nicht, denn da ist das Nichts im Kopf ja gewissermaßen Programm. Ich war ein bisschen stolz, dass Frauen über 50 so cool sind und locker über dem ganzen Konsumkram stehen. Aber mein Triumph währte nur kurz.

Ein Marketingmann aus England schaltete sich ein. Man müsse die Konsumentinnen nur abholen bei ihren Wünschen nach Natur und Vereinfachung, sagte er. Wenn Frauen über 50 Halt in der Natur suchten, dann müsse man ihnen eben das Gefühl geben, durch den Kauf eines Produktes näher an die Natur heranzurücken.

Mehr Bodenfreiheit für das Abenteuer-Gefühl

„Nehmen wir die SUVs, das Geländewagen-Design“, fuhr er fort, „die SUVs haben die Bodenfreiheit natürlich nicht wegen der Matschwege, durch die man sowieso nie fährt, sondern weil der höhere Einstieg und der bessere Rundumblick bequemer sind für ältere Leute. Der Look aber verrät das nicht, sondern verspricht die Nähe zu Natur und Abenteuer. Das ist der Trick.“

Das gleiche gelte für den ausufernden Markt an Funktionskleidung, erklärte der Brite. Schneesturmtaugliche Wetterjacken suggerierten ein abenteuerliches Leben, auch wenn man sich damit nur bei gutem Wetter in den Stadtwald wage. Auch der Biomarkt sei viel Suggestion, denn er docke an die Sehnsucht nach Gesundheit und Leben an.

Ich fühlte mich ertappt. Damals besaß ich schon eine Sammlung an Wetterschutzjacken. Und benutzte die sündhaft teuren Dr.Hauschka-Duschgels, die sich so schnell aufbrauchen. Die reinste Bio-Suggestion. Seit kurzem fahren wir auch einen Dacia Sandero Stepway in der teureren SUV-Variante, obwohl die höher gelegte Karosserie eigentlich nur mehr Benzin kostet. Aber man wähnt sich irgendwie doch ein bisschen auf einem holprigen Waldweg, wenn man am Steuer sitzt …

„Schon überflüssig, das ganze Zeug hier“, sagt Britt, als wir in der Abteilung für Camping bei Globetrotter stehen. Die haben hier das dreiteilige Titan-Besteck von Sea-to-Summit, superleicht, geeignet für Trekking in der Natur. Ich geh ja manchmal ein bisschen wandern. „Titan. Hält bestimmt ewig“, meint Britt. Genau. Für das ewige Leben zahl ich. Sind ja nur 18 Euro.

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Barbara Dribbusch
Redakteurin für Soziales
Redakteurin für Sozialpolitik und Gesellschaft im Inlandsressort der taz. Schwerpunkte: Arbeit, soziale Sicherung, Psychologie, Alter. Bücher: "Schattwald", Roman (Piper, August 2016). "Können Falten Freunde sein?" (Goldmann 2015, Taschenbuch).